Für SVP-Chef Albert Rösti ist ein Tessiner als neuer Bundesrat nicht gesetzt
«Inhalt kommt vor Region»

Für SVP-Chef Albert Rösti ist ein Tessiner als neuer Bundesrat noch nicht gesetzt. Im BLICK-Interview nennt der Berner Erwartungen für die Burkhalter-Nachfolge, erteilt einem Schmusekurs bei den Wahlen 2019 eine Absage und fordert eine Volksabstimmung über die Schweizer Luftwaffe.
Publiziert: 25.06.2017 um 23:38 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 13:15 Uhr
SVP-Präsident Albert Rösti (49) auf dem Balkon seines Hauses in Uetendorf BE.
Foto: Daniel Kellenberger
Interview: Nico Menzato und Ruedi Studer

Unter ihrem Präsidenten Albert Rösti (49) musste die SVP bei Abstimmungen und kantonalen Wahlen einige Niederlagen einstecken. Doch jetzt geht die Partei mit einer neuen Volksinitiative gegen die Personenfreizügigkeit in die Offensive. BLICK traf Rösti in Uetendorf BE, wo er Gemeindepräsident ist. Im Interview zeigt er sich gut gelaunt – und danach den Journalisten auf einer kleinen Rundfahrt sein Dorf.

BLICK: Herr Rösti, Aussenminister Didier Burkhalter tritt per Ende Oktober zurück. Greift die SVP den FDP-Sitz an?
Albert Rösti: Aufgrund der Wählerstärke hat die SVP rein arithmetisch genauso Anrecht auf drei Sitze wie die FDP auf zwei. Aber das ist keine Option. Wir stehen zur Konkordanz, werden die FDP-Kandidaten aber sehr kritisch befragen. Wir möchten einen FDP-Aussenminister, der sich gegen ein Rahmenabkommen mit der EU und fremde Richter stellt. Ein EU-Turbo kommt nicht in Frage.

Derzeitiger Kronfavorit ist Ignazio Cassis. Ist der FDP-Fraktionschef für Sie wählbar?
Das werden die Hearings zeigen. Wir werden sehen, ob sich Cassis für mehr Freiheit und weniger Bürokratie einsetzt – das wäre wichtig. Mit Besorgnis musste ich aber feststellen, dass er einen Vorstoss zum Verbot eines EU-Rahmenabkommens abgelehnt hat, wie seine gesamte FDP-Fraktion.

Foto: Blick

Muss der neue Bundesrat aus dem Tessin kommen?
Das wäre schön, wir haben ja mit Regierungsrat Gobbi bei den letzten Wahlen bereits einen Tessiner vorgeschlagen. Für uns zählt, welche Positionen die FDP-Kandidaten vertreten. Der Inhalt kommt vor der Region. Bei ähnlichen Positionen und Qualitäten gebe ich aber einem Tessiner Kandidaten den Vorzug vor einem Romand oder Deutschschweizer.

Sie fordern einen EU-kritischen FDP-Aussenminister, um das Rahmenabkommen zu beerdigen. Dabei kann die SVP selbst Verantwortung übernehmen und ihren Bundesrat Guy Parmelin ermuntern, ins EDA zu wechseln.
Er könnte das. Guy Parmelin hat die nötige Distanz zur EU und ist gegen eine Anbindung. Er und auch Ueli Maurer sind allerdings erst seit eineinhalb Jahren in ihren Departementen.

Albert Rösti zu einer EDA-Übernahme durch die SVP: «Guy Parmelin könnte das. Er hat die nötige Distanz zur EU und ist gegen eine Anbindung.»
Foto: Blick

Ist ein Wechsel Parmelins ins EDA eine ernsthafte Option, welche die SVP prüft?
Die Departementsverteilung ist Sache des Bundesrats. Da ist jede Option denkbar. Je nach Rochade werden vielleicht auch das Uvek von Doris Leuthard oder das EJPD von Simonetta Sommaruga frei.

Die SVP, welche ständig gegen die EU und gegen Migration wettert, müsste jetzt endlich ein Departement übernehmen, das diese Dossiers beinhaltet, also das Justiz- oder das Aussendepartement.
Am Schluss entscheidet der Bundesrat als Gesamtgremium für alle Departemente. Deshalb ist jetzt vor allem wichtig, dass ein Bundesrat gewählt wird, der die Grundwerte der Schweiz in allen Dossiers hochhält.

Sie drücken sich, weil Sie mit einem zuständigen Bundesrat weniger Kritik an der EU- und Migrationspolitik üben könnten! Ihnen würden die Themen für den Wahlkampf 2019 ausgehen.
Nein, nein. Die Themen werden nicht ausgehen, weil die Probleme bleiben. Wir werden vehement gegen die Anbindung an die EU kämpfen – mit oder ohne eigenen Aussenminister. Die Migration ist unverändert hoch. Deshalb haben die SVP-Delegierten am Samstag dem Vorstand den Auftrag erteilt, bis Ende Jahr eine Initiative zur Beseitigung der Personenfreizügigkeit zu lancieren. Die Asylprobleme werden nicht kleiner – und für Gemeinden zur Riesenbelastung: Für die anderen Parteien ist es bereits Courant normal, wenn jährlich «nur» 30'000 Asylbewerber kommen. All diese Probleme geht die Regierung nicht an, sondern schiebt sie vor sich her. Wir können das nicht akzeptieren. 

Sie sind nach vielen verlorenen Abstimmungen und Verlusten bei kantonalen Wahlen unter Druck. Welches Wahlziel setzen Sie sich für 2019?
2015 haben wir mit 29,6 Prozent Wähleranteil ein historisches Ergebnis erzielt. Nun heisst die Zielsetzung: halten.

Das tönt ambitionslos. Die magische 30-Prozent-Marke müssen Sie doch knacken wollen.
Jeder Präsident will mit seiner Partei wachsen – auch ich. Man muss aber realistisch bleiben. Den Wähleranteil zu halten, wäre bereits eine grosse Leistung. Diese Ambition ist sehr hoch, garniert mit einer Prise Rösti'scher Vorsicht (lacht). Ich sehe aber durchaus noch Wachstumspotenzial in der Romandie, dafür wird sich auch Bundesrat Parmelin engagieren. Zulegen könnten wir aber schon rein arithmetisch bei den Nationalratssitzen durch flächendeckende Listenverbindungen mit der FDP.

Foto: Blick

Sie machen der FDP bereits jetzt den Hof?
Überhaupt nicht. Wenn wir die bürgerliche Seite aber stärken wollen, muss das Ziel beider Parteien immer sein, das Optimum aus dem Wahlergebnis herauszuholen. Hier müssen wir geschickter agieren. Deshalb ist eine Listenverbindung in allen Kantonen gut für beide Parteien. Dann könnten wir bei gleichen Wähleranteilen nochmals zwei, drei Sitze zulegen – ebenso die FDP. Die Basis dafür ist da, auch wenn wir leider immer noch viele Differenzen haben. Die Zusammenarbeit mit FDP-Präsidentin Petra Gössi funktioniert.

Nicht zufrieden sein können Sie mit der Vertretung der SVP im Ständerat.
Natürlich nicht! Mein Ziel ist klar: Wir wollen in möglichst vielen Kantonen mit eigenen Ständeratskandidaten antreten.

Treten Sie selbst im Kanton Bern nochmals an?
Nein, mit Werner Salzmann, Andreas Aebi oder Nadja Pieren haben wir drei sehr gute Möglichkeiten. In Zürich wäre Natalie Rickli eine Option. Nur um Beispiele zu nennen, die zeigen, dass wir gute Leute haben. Klar ist aber: Wir dürfen sicher keinen Schmusekurs mehr fahren, nur um zusätzliche Ständeratssitze zu ergattern.

Albert Rösti zu den Wahlen 2019: «Wir dürfen sicher keinen Schmusekurs mehr fahren, nur um zusätzliche Ständeratssitze zu ergattern.»
Foto: Blick

Die SVP fährt doch nie einen Schmusekurs.
Doch, bei den kantonalen Wahlen in Solothurn, Freiburg oder der Waadt hat die SVP einen zu sanften Wahlkampf geführt, weil man unbedingt ein Exekutivmandat erobern wollte. Mit dem Resultat, dass wir in den Parlamenten stagnierten oder gar Sitze verloren – und trotzdem keinen Regierungssitz erobert haben. Dies lehrt uns: Kompromisse für Exekutivwahlen gehen auf Kosten der Proporzwahlen, ohne dass dann auch ein Exekutivamt drinliegt. Dies gilt ebenso bei den National- und Ständeratswahlen.

Sie geben den Ständerat damit verloren?
Das nicht, aber wir dürfen keine falsche Rücksicht nehmen. Der Fokus liegt ganz klar beim Nationalrat. Ständeratswahlen sind Majorzwahlen, da braucht es Partner. 

Einige SVP-Exponenten haben die Wahl von US-Präsident Donald Trump sehr begrüsst. Nun macht dieser schlechte Figur. Zum Schaden Ihrer Partei?
Wir haben ganz andere Verhältnisse, eine andere Geschichte und mit ihm nichts zu tun. Trotzdem wird Trump mit der SVP in Verbindung gebracht. Vor allem das Unstete und Unkontrollierbare mag die Bevölkerung nicht. Den Trump-Effekt schätze ich für uns eher negativ ein – auch wenn ich etwa Trumps Forderung, dass Europa mehr in seine Sicherheit investieren muss, sehr unterstütze.

Nicht nur Trump, auch der Brexit könnte Ihrer Partei schaden, wenn dieser in zwei Jahren in einen chaotischen EU-Austritt Grossbritanniens mündet.
Das Gegenteil ist der Fall. Wenn Grossbritannien keine Lösung mit der EU findet, bestätigt dies unsere Befürchtung, dass man, einmal in der EU drin, nicht wieder hinauskommt. Einen schmutzigen Scheidungskrieg kann sich die EU kaum leisten.

Genau darauf müssen Sie aber hoffen, damit die EU ein Feindbild bleibt.
Ganz und gar nicht. Eine gute Austrittslösung würde doch auch für uns neue Lösungen zum Beispiel zur dringenden Regelung der Zuwanderung oder in der Forschungszusammenarbeit eröffnen.

Foto: Blick

Ein ganz anderes Thema: Bundesrat Ueli Maurer hat eine neue Steuervorlage präsentiert. Unterstützen Sie die Stossrichtung Ihres Finanzministers?
Wir sind mit den jetzigen Eckwerten überhaupt nicht zufrieden. Eine viel höhere Dividendenbesteuerung kommt für uns nicht in Frage. Die höheren Kinderzulagen gehören schlicht nicht in eine Steuervorlage. Die Zeche bezahlen die KMU, welche zu stark belastet werden.

Die Linke hat die Abstimmung gewonnen, Sie müssen ihr doch nun entgegenkommen.
Wir nehmen die Linke beim Wort: Steuererhöhungen für den Mittelstand müssen tabu sein. Allfällige Steuerausfälle können Bund und Kantone über Minderausgaben kompensieren. Entscheidend wird sein, dass die Kantone im Vorfeld Klarheit schaffen, wie sie die Vorlage umsetzen werden. Der Bürger will wissen, was ihn die Reform kostet, Punkt. Sonst wiederholt sich die Geschichte.

Statt mehr Steuern weniger Leistungen, da zahlt der Mittelstand doch ebenso die Zeche.
Glauben Sie mir, insbesondere beim Bund, aber auch in vielen Kantons- und Gemeindebudgets gibt es noch viel Luft. Da sind noch einige Einsparungen ohne spürbare Leistungseinbussen für die Bürger möglich.

Bei Ihrem zweiten Bundesrat, Guy Parmelin, steht mit der Kampfjetbeschaffung ebenfalls ein Grossgeschäft in der Agenda. Gehören die Kampfjets vors Volk?
Es braucht eine Volksabstimmung, aber die Frage ist falsch gestellt. Der Typenentscheid selbst gehört nicht vors Volk, sondern der Grundsatzentscheid über die Luftwaffe.

Worüber soll das Volk konkret entscheiden?
Die zentrale Frage lautet: Will die Bevölkerung den Luftraum kontrollieren, schützen und verteidigen? Dafür müssen wir dem Volk ein Gesamtkonzept zur Luftraumverteidigung vorlegen, also Kampfjets wie auch Boden-Luft-Abwehr, samt dem dazugehörigen Kostenrahmen. Über die Details, wie viele und welche Jets es sein sollen, müssen aber die Experten befinden.

Wo sehen Sie das Kostendach?
Da will ich im Moment nicht vorgreifen. Wir tragen aber die Verantwortung für die Sicherheit unseres Landes. Eine Minimalvariante, die einer Scheinsicherheit gleichkommt, kommt für mich daher nicht in Frage.

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