Deutschland erlebt einen historischen Flüchtlingsansturm. 1,1 Millionen Personen ersuchten 2015 in Deutschland um Asyl. Die meisten strömten ins Land, als Bundeskanzlerin Angela Merkel Anfang September die Willkommenskultur ausrief und aus humanitären Gründen die Grenze für Flüchtlinge aus Syrien öffnete.
Das Asylwesen ist zeitweise zusammengebrochen. Hunderttausende Asyl-Dossiers türmen sich. 300'000 bis 500'000 Flüchtlinge konnten ihren Antrag noch nicht einmal stellen.
Eine Studie im Auftrag der renommierten Bertelsmann-Stiftung kommt jetzt aber zum Schluss, das deutsche Asylsystem sei schon vor dem grossen Flüchtlingsansturm «weitgehend funktionsunfähig» gewesen. Selbstverschuldet. Seit 2008 sei Jahr für Jahr zunehmend ein Bearbeitungsstau aufgebaut worden.
Die politisch unabhängige Stiftung empfiehlt Merkel und Co.: Lernen Sie von der Schweiz!
Denn das südliche Nachbarland würde ein Management der Flüchtlingsaufnahme betreiben, das «europaweit vorbildlich» sei, schreibt der Professor für Migrationsforschung, Dietrich Thränhardt, in der Studie.
Lob fürs 48-Stunden-Verfahren
Wie begründet der deutsche Professor das gute Zeugnis für unser Land?
Beispielsweise mit dem 48-Stunden-Verfahren. Chancenlose Asylanträge von Personen aus dem Balkan versucht Bern seit 2012 innert 48 Stunden zu entscheiden.
«Der Erfolg war schlagend», urteilt Thränhardt. Die Zahl der Asylbewerber aus Ländern mit sehr geringer politischer Verfolgung und geringen Asylchancen sei stark gesunken. Ebenfalls positiv sei das «Fast-Track-Verfahren» für Personen ausserhalb Europas, die auch kein Anrecht auf Asyl haben.
Auch das neue, umstrittene Asylgesetz stösst in Deutschland auf offene Ohren. Die Schweiz will 60 Prozent aller Asylgesuche in Bundeszentren abwickeln – innert 140 Tagen. Die restlichen 40 Prozent – die komplizierten Fälle – sollen innert Jahresfrist entschieden sein.
Die SVP hat gegen das Gesetz das Referendum ergriffen, am 5. Juni stimmt das Volk darüber ab. Die Volkspartei stört sich vor allem daran, dass Asylbewerber einen kostenlosen Rechtsbeistand erhalten sollen.
Schnellere Verfahren, höhere Qualität
Die Studie der deutschen Bertelsmann-Stiftung erachtet die Idee der Gratisanwälte als positiv. Sie würden das Asyl-Verfahren «auf eine qualitativ fundiertere Basis» stellen.
Das Schweizer Asylwesen beweise, dass «der Spagat zwischen schnellerer Bearbeitung und mehr Qualität gelingen kann», folgert Migrationsexperte Thränhardt. «Die Kategorisierung der Asylgesuche, eine klare Verfahrensstruktur mit Zeitvorgaben und Beschleunigung der einfachen Verfahren, die Verbesserung der Qualität durch Rechtsbeistände sowie die Entlastung der Gemeinden durch die Bundeszentren haben Vorbildcharakter.»
Ein Allerheilmittel ist aber nicht: Eine Flüchtlingskrise wie in Deutschland hätte auch das Schweizer Asylsystem «stark unter Druck gesetzt.»