Streit unter Rechtsexperten
War «Kosovaren-Schlitzer» unzulässige Beeinflussung?

Gegen das Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative wurde eine Abstimmungsbeschwerde eingereicht. Hat sie Chancen? Die Experten sind sich uneins.
Publiziert: 30.01.2015 um 14:19 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 04:20 Uhr
Das Inserat aus dem Jahr 2011, das jetzt ein gerichtliches Nachspiel hat.

Er verwies auf einen Entscheid des Bundesgerichts zur Unternehmenssteuerreform II vom Dezember 2011. Damals hätten die Bundesrichter im Grundsatz die Möglichkeit einer nachträglichen Beschwerde bejaht, wenn ein neuer Beschwerdegrund festgestellt werde. Einen solchen habe das Bundesgericht wegen Unterdrückung wichtiger Elemente durch den Bundesrat ebenfalls bejaht, sagte Nay am Freitag der Nachrichtenagentur sda.

Die Richter hatten die Abstimmung dennoch nicht für ungültig erklärt - «im Wesentlichen, weil eine Wiederholung der Abstimmung kaum mehr unter gleichen Voraussetzungen und Bedingungen hätte stattfinden können».

Im Falle des SVP-Inserats «Kosovaren schlitzen Schweizer auf!» sei möglich, dass das Bundesgericht unzulässige Beeinflussung erkennen werde, sagte Nay. Eine Verletzung der Anti-Rassismus-Strafnorm werde mittels des Strafrechts geahndet und müsste daher ein rote Linie darstellen.

Alt Bundesgerichtspräsident Nay verwies auch auf die erste Laufental-Abstimmung von 1983, die sechs Jahre später vom Bundesgericht für ungültig erklärt worden war. Damals hatte das höchste Gericht eine unzulässige Beeinflussung der Abstimmung durch die Regierung des Kantons Bern festgestellt. Im Zuge der Berner Finanzaffäre war zuvor herausgekommen, dass die Regierung heimlich das Pro-Bern-Komitee finanziell unterstützt hatte.

Dies sei ein Fall einer «nicht erkennbaren Beeinflussung» gewesen, denn es sei den Pro-Baselbietern nicht möglich gewesen, sich dagegen zur Wehr zu setzen, so Nay. Auch gegen eine mittels einer Stimmungsmache mit einer Rassendiskriminierung erreichten Beeinflussung sei keine Gegenwehr möglich.

Anderer Meinung ist Staatsrechts-Professor Andreas Auer. Er sagt gegenüber Blick.ch: «Das Bundesgericht wird es nie wagen, diesen Volksentscheid für ungültig zu erklären.» So sei es schliesslich im Fall der Unternehmenssteuerreform II gewesen. Aber Auer fügt an: «Es ist denkbar, dass das Bundesgericht feststellt, die SVP habe mit dem Inserat die politischen Rechte verletzt. Das wäre ein bedeutsamer Entscheid – und für die Volkspartei nur schwer zu ertragen. Die SVP müsste sich vorwerfen lassen, sie habe die direkte Demokratie verletzt, was den Volksentscheid vom 9.Februar 2014 politisch in ein schiefes Licht stellt.»

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