Streit um öffentliche Ausschreibungen
Kantone gegen Parlament

Die Stände wehren sich gegen das revidierte öffentliche Beschaffungsrecht. Die Gewerkschaften warnen vor Lohndumping.
Publiziert: 31.08.2019 um 23:24 Uhr
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Aktualisiert: 03.09.2019 um 19:02 Uhr
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Bei der Revision des öffentlichen Beschaffungsrechts formierte sich im Parlament eine breite Allianz.
Foto: Keystone
Simon Marti

Mit der Revision des öffentlichen Beschaffungswesens ist dem Parlament ein grosser Wurf gelungen. Dumm nur, dass einer der Kernpunkte dieser Reform bereits wieder infrage gestellt wird – nicht von den Räten, sondern von den Kantonen.

Bei der Beratung in der Sommersession hatte sich im Nationalrat eine ungewöhnliche Allianz gebildet: Sozialdemokraten und SVPler, Gewerkschafter und die Spitzen des Ge werbeverbandes zogen an einem Strang. Und hielten fest: Bewirbt sich eine Firma aus einem Kanton um Aufträge der öffentlichen Hand in einem anderen, muss sie die Bedingungen erfüllen, die am Ort der Leistung gelten.

Ein Beispiel: Baut der Kanton Zürich eine Strasse oder die Stadt ein Schulhaus, darf auch ein Tessiner Unternehmer eine Offerte abgeben – muss seinen Angestellten aber die höheren Zürcher Löhne zahlen.

Offerten zu Bedingungen des Heimatkantons

Manchen Kantonen aber passt das nicht. In einem Rundschreiben an die zuständigen Regierungsräte erklärte die Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz (BPUK) Ende Juni, dass die Stände auch künftig das sogenannte Herkunftsortsprinzip anwenden. Das heisst: Firmen aus der ganzen Schweiz dürften demnach zu den Bedingungen ihres Heimatkantons offerieren, Tessiner also in Zürich niedrigere Löhne zahlen. In ihrem Rundbrief räumt die Bau-, Planungs- und Umwelt­direktorenkonferenz jedoch ein, dass diese «politische Haltung nicht von allen geteilt wird».

Auf Nachfrage erklärt die Waadtländer FDP-Staats­rätin und BPUK-Präsidentin Jacqueline de Quattro (59), das revidierte Beschaffungsrecht gelte einzig für den Bund und bundesnahe Betriebe. Hätte das Parlament eine Regelung angestrebt, die auch für die Kantone gelte, hätte es die einschlägigen Bestimmungen ändern müssen. Dies sei aber nicht erfolgt.

Abwärtsspirale durch «Dumping-Kantone»

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund hält die Argumentation der Kantone für unzulässig. SGB-Zentralsekretär Luca Cirigliano (37): «Offensichtlich foutieren sich die Kantone um den Beschluss des Parlaments.» Würden unnötig Unterschiede zwischen Bund und Kantonen geschaffen, blicke «doch kein Unternehmer mehr durch». Und wenn die «Dumping-Kantone» die Reform sabotierten, drohe eine Abwärtsspirale. Wohlgemerkt für Aufträge, die mit Steuergeldern finanziert werden.

«Für einmal stehe ich mit den Gewerkschaften auf der gleichen Seite», sagt auch SVP-Nationalrat und Gewerbeverbandspräsident Jean-François Rime (69, FR). Und überhaupt widerspreche die Haltung der Kantone seinem Alltag als Unternehmer: «Nach meiner Erfahrung galten bereits vor dem Entscheid des Parlaments die Bedingungen des Leistungsorts. Das war gängige Praxis», sagt der Präsident der Wirtschaftskommission des Nationalrats.

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