Der Zürcher Rechtsanwalt Philip Stolkin hat gegen eine Gutachterin und die Ausgleichskasse des Kantons Bern Strafanzeige wegen Urkundenfälschung im Amt erstattet. Solche Strafanzeigen sind in der Schweiz sehr selten.
Einem von Stolkins Mandanten wurde aufgrund eines Gutachtens des Regionalen Ärztlichen Dienstes Bern die IV-Rente gestrichen.
«Mangelhafte Grundlagen» für die Massnahmen
Der Betroffene war jahrelang in einem iranischen Gefängnis inhaftiert und wurde gefoltert. Danach kam er als anerkannter Asylsuchender in die Schweiz. Mehrere Jahre arbeitete er als medizinischer Laborant, bis ihn eine schwere Herzoperation aus der Bahn warf. In der Folge erhielt er eine IV-Rente zugesprochen. Nach einem anonymen Hinweis wurde der Mann überwacht und von der IV-Fachärztin neu beurteilt. Daraufhin wurde die Rente gestrichen.
Beide Massnahmen fussen laut Stolkin auf mangelhaften Grundlagen, die Resultate zweifelt er an. «Das Gutachten des Regionalen Ärztlichen Dienstes ist derart unhaltbar, dass sich die Frage stellt, ob die Verfasserin es einfach nicht besser wusste oder ob sie vorsätzlich gehandelt hat», sagt Stolkin. Ausserdem bezeichnet er das Gutachten als «krass falsch» und «ungeheuerlich».
Erfolg in Strassburg
Stolkin erzielte erst vor kurzem einen Erfolg beim Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg (F): Nach einem Urteil gegen die Schweiz mussten Unfallversicherungen die Überwachungen von Leistungsbezügern einstellen, weil die Gesetzesgrundlage fehlt.
Die Medizinerin wollte auf Anfrage zu den Vorwürfen nicht Stellung nehmen. Es gilt die Unschuldsvermutung.