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Spesenritterin von Sigriswil BE kassierte sogar bei Beerdigungen
Amstutz will zu viel Stutz

SVP-Grossrätin Madeleine Amstutz hat in Sigriswil Karriere gemacht und setzte im Herbst zum Sprung ins Bundeshaus an. Jetzt landet die Berner Oberländerin auf dem harten Boden der Tatsachen: Sie hat sich zu oft verrechnet.
Publiziert: 04.06.2020 um 22:51 Uhr
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Aktualisiert: 06.06.2020 um 17:36 Uhr
Die diesjährige Gemeindeversammlung von Sigriswil dürfte für Madeleine Amstutz zur Hängepartie werden.
Foto: Peter Gerber
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Pascal Tischhauser

Am rechten Thunerseeufer liegt die Gemeinde Sigriswil BE. Sie besteht aus elf Dörfern. Der Besucher findet dort die Molkerei Amstutz. Und auch Daniela vom gleichnamigen Coiffeurgeschäft ist eine Amstutz. Und natürlich wohnt noch der Namensvetter und Ex-SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz (66) in Sigriswil.

Die Gemeindepräsidentin von Sigriswil – man ahnt es – hört ebenfalls auf den Namen Amstutz: Madeleine Amstutz (41). Das Amt der Gemeindepräsidentin ist eine Sigriswiler Eigenart: Sie leitet hier die Gemeindeversammlung und sorgt für einen ordnungsgemässen Ablauf.

Die Exekutive ist aber der siebenköpfige Gemeinderat. Gemeindepräsidentin Amstutz kann an den Gemeinderatssitzungen teilnehmen, hat aber kein Stimmrecht. Ende Jahr verschwindet das Amt. Der alte Zopf wird abgeschnitten.

Spesenaffäre gut versteckt

Jetzt gibt nicht mehr das Amt von Amstutz, sondern ihre Amtsführung Anlass zur Kritik. Am 15. Juni hält die Einwohnergemeinde Sigriswil in Schwanden BE die Gemeindeversammlung ab. Der interessanteste Aspekt des Anlasses ist auf Seite 22 der Botschaft versteckt. Hier fehlt der Name Amstutz – es weiss vor Ort sowieso jeder, wer gemeint ist: Madeleine Amstutz.

Der Gemeindepräsidentin und Berner SVP-Grossratsfraktionschefin wird vorgeworfen, beim Erstellen der Spesenrechnungen besonders fleissig zu sein. Übereifrig geradezu.

Aus der Botschaft erfahren die Bürger, dass der Gemeinderat die Geschäftsprüfungskommission (GPK) damit beauftragt hatte, ihre Spesenabrechnungen aus den Jahren 2015 bis 2019 zu prüfen. Die Prüfung ergab: Die Gemeindepräsidentin hat öfters eine Abkürzung statt des Dienstwegs genommen. Die GPKler finden, bestimmte Anlässe, Sitzungen und die Auskunftserteilung an Bürger seien bereits mit der festen Entschädigung abgegolten. Sie könnten nicht zusätzlich in Rechnung gestellt werden.

Fürs Lauberhornrennen gabs Geld

Doch genau das tat Amstutz, die im Herbst 2019 den Sprung in den Nationalrat verpasste. Anders gesagt: Sie verrechnete laut mehrerer Quellen mehr, als ihr zustand: BLICK-Recherchen zufolge geht es um nicht ganz 10'000 Franken, die sie über die Jahre zu viel bezogen hat.

Peinlich daran: Die Gemeinderatsspitze hätte sie stoppen müssen. Aber «die Spesenblätter 2015 bis 2018 wurden von den Gemeinderatspräsidenten nicht kontrolliert und unterschrieben».

Und ja, sie hätte selbst merken müssen, dass Einladungen wie jene an die Lauberhorn-Abfahrt nach Wengen nicht im Nachhinein auch noch als Spesen abgerechnet werden können und dass eine Einladung auf das Boot eines ihr bekannten Politikers ebenfalls nicht noch den Steuerzahler belasten sollte.

Selbst am Sarg klingelt die Kasse

Laut BLICK-Quellen war Amstutz noch dreister. «Es ist geradezu makaber, dass sie für die Teilnahme an Beerdigungen jeweils noch Spesen verlangte», sagt ein enttäuschter Oberländer. Ein weiterer Berner bestätigt, von mindestens einer Spesenabrechnung für eine Beerdigung zu wissen.

Was aber dran ist, dass Amstutz noch weiter ging und Anlässe doppelt in Rechnung stellte und dass nicht immer garantiert werden könne, dass sie bei allen Events zugegen war, für die sie Spesenrechnungen einforderte, muss sich weisen.

In Sigriswil halten die Behörden den Ball flach. Wie der Botschaft zu entnehmen ist, soll der Gemeinderat nun dafür sorgen, dass künftig alles korrekt läuft. Mehr nicht. Selbstkritik und Transparenz? Fehlanzeige! Gemeinderatspräsident Beat Oppliger will sich wegen des laufenden Verfahrens nicht zur Angelegenheit äussern. Gleiches gilt für Madeleine Amstutz.

Totengräberin schaufelt sich ich politisches Grab

«Ausgerechnet sie», heisst es derweil bei denen in der Bevölkerung, die Wind von der Sache bekommen haben. Denn Amstutz hatte einst als Totengräberin eines neuen Spesenreglements Karriere gemacht. Sie hatte davon profitiert, die Erhöhung der Pauschalbeträge für Behörden und Kommissionsmitglieder versenkt zu haben. Sie hatte gepunktet, indem sie den Frondienstgedanken hochhielt. Heute ist sie selbst Berufspolitikerin und macht die hohle Hand.

Wasser predigen und Wein trinken, so laufe das bei dieser Amstutz, sagen Sigriswiler. Jetzt, wo das bekannt werde, sei damit wenigstens Schluss.

Innerhalb ihrer eigenen Partei hat die Absetzungsbewegung schon eingesetzt: Der Seeländer Martin Schlup (59) und nicht Amstutz ist dazu erkoren worden, zweiter Grossrats-Vizepräsident und damit später automatisch Grossratschef im Kantonsparlament zu werden. Die Fraktionschefin hatte bei der eigenen Grossratsfraktion gerade einmal vier Stimmen gemacht.

Nur Spesenritterin Madeleine Amstutz ist gemeint

BLICK berichtete am Freitag, dass die Sigriswiler Gemeindepräsidentin Madeleine Amstutz (41) zu viele Spesen gemacht haben soll. Es wurde darauf hingewiesen, dass in Sigriswil BE viele Personen Amstutz heissen und verschiedene Gewerbeunternehmen mit dem Namen verbunden sind. BLICK stellt klar: Keines der genannten Geschäfte, sondern einzig Madeleine Amstutz steht im Verdacht, überrissene Spesen bezogen zu haben.

BLICK berichtete am Freitag, dass die Sigriswiler Gemeindepräsidentin Madeleine Amstutz (41) zu viele Spesen gemacht haben soll. Es wurde darauf hingewiesen, dass in Sigriswil BE viele Personen Amstutz heissen und verschiedene Gewerbeunternehmen mit dem Namen verbunden sind. BLICK stellt klar: Keines der genannten Geschäfte, sondern einzig Madeleine Amstutz steht im Verdacht, überrissene Spesen bezogen zu haben.

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