Nach der heutigen SP-Fraktionssitzung ist klar: Die SP stimmt nicht geschlossen gegen die Steuerabkommen mit Deutschland, Grossbritannien und Österreich. Zwar konnte Parteichef Christian Levrat 26 und somit die Mehrheit der SP-Parlamentarier hinter sich scharen. Immerhin 17 Genossen haben sich aber gegen ihn gestellt.
Mit Blick auf die entscheidende Abstimmung morgen im Nationalrat hat sich Levrat somit wohl verzockt. Denn mit der SVP-Fraktion, die die Deals mit Deutschland und Grossbritannien ablehnt, verfügt die SP nur über eine theoretische Mehrheit von 102 von 200 Stimmen.
Nach der Fraktionssitzung muss Levrat deshalb eingestehen: «Die Abkommen werden wahrscheinlich durchkommen.»
Erfolgloses weibeln von Levrat
SP-Chef Christian Levrat hat seiner Partei in den letzten Tagen den Takt vorgegeben: Er wollte die Steuerabkommen mit Deutschland, Grossbritannien und Österreich aus taktischen Gründen bodigen. Die Schweiz solle der EU lieber den automatischen Informationsaustausch anbieten, um in anderen Dossiers Zugeständnisse zu erhalten, sagte er in den Sonntagsmedien.
Levrats Vorpreschen sorgte parteiintern für Zoff. Nationalrat Eric Nussbaumer (BL) ärgerte sich darüber, dass Levrat via Medien Druck auf die Fraktion machte. Er selbst befürwortet die Abkommen tendenziell. Im Rat will er sich allenfalls enthalten. «Aus Steuergerechtigkeitssicht sehe ich keine Argumente für ein Nein!»
Kritik an Levrat übte auch Ständerätin Anita Fetz (BS): «Das war mit den Wirtschaftskommissionsmitgliedern nicht abgesprochen. Unter einer Verhandlungsstrategie verstehe ich etwas Vernünftigeres.» Den Abkommen will sie im Sinne einer Übergangslösung zustimmen. Ein Nein nütze einzig Steuerhinterziehern, die Zeit gewinnen würden, um ihre Gelder in Sicherheit zu bringen.
Rückendeckung erhielt Levrat von Nationalrat Corrado Pardini (BE): «Die Abgeltungssteuer ist ein Ablasshandel.»
Als Hoffnung bleibt den Gegnern des Abkommens in der SP die deutsche Schwesterpartei SPD. So wiederholte gestern Ex-Finanzminister Peer Steinbrück: «Das Abkommen legitimiert nachträglich Steuerbetrug, wie ich es für inakzeptabel halte.»