Das Parlament will von Höchstzahlen und Kontingenten nichts wissen – obwohl die Bevölkerung genau dem zugestimmt hat. Zu gross ist die Angst vor einer Retourkutsche durch die Europäische Union.
Mit der Volksinitiative «Raus aus der Sackgasse», kurz RASA, könnte es für die SVP noch schlimmer kommen. Sie verlangt die komplette Streichung des Zuwanderungs-Artikels in der Bundesverfassung.
Das will der Bundesrat nicht. Doch die Regierung möchte einen Gegenvorschlag dazu unterbreiten und so den Widerspruch zwischen Gesetz und Verfassung zumindest verkleinern.
Gegenvorschlag 1
In der ersten Variante soll der Zuwanderungsartikel durch eine Bestimmung ersetzt werden, wonach bei der Steuerung der Zuwanderung völkerrechtliche Verträge berücksichtigt werden sollen, die von grosser Tragweite für die Stellung der Schweiz in Europa sind.
Diese Variante berücksichtige, dass die Bevölkerung den bilateralen Weg mehrmals an der Urne bestätigt habe, schreibt der Bundesrat. Die Übergangsbestimmung mit der Dreijahresfrist für die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative würde zudem gestrichen. Damit würde die Steuerung der Zuwanderung quasi zum Dauerauftrag für den Bundesrat.
Gegenvorschlag 2
Die zweite Variante beschränkt sich auf dieses letzte Element. Mit der Streichung der Umsetzungsfrist wird laut Bundesrat der Tatsache Rechnung getragen, dass das Parlament ein Gesetz verabschiedet hat, das die Stossrichtung des Zuwanderungsartikels aufnimmt, ohne allerdings den Normenkonflikt aufgelöst zu haben.
Damit bleibe die Möglichkeit offen, zu einem späteren Zeitpunkt mit einer Anpassung des Freizügigkeitsabkommens weitere Umsetzungsschritte vorzunehmen. Es handelt sich vorerst um Eckwerte, die als Basis für eine Vernehmlassungsvorlage dienen sollen.
Ziel des Bundesrats ist es, Verfassung und Gesetz in Einklang zu bringen. Mit der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative habe sich das Parlament weit vom Verfassungsartikel entfernt, hatte Justizministerin Simonetta Sommaruga in Lauf der Ratsdebatte erklärt.
Die Gesetzesänderung, die das Parlament letzten Freitag beschlossen hat, sieht weder Kontingente noch einen Inländervorrang vor, wie es die Verfassung verlangt. Stattdessen soll eine Vorzugsbehandlung für Stellensuchende den Hunger der Wirtschaft nach ausländischen Arbeitskräften etwas dämpfen.
Ein direkter Gegenvorschlag soll die Kluft zwischen Verfassung und Gesetz wieder schliessen. Das hat der Bundesrat im Grundsatz schon Ende Oktober beschlossen. Mit der Formulierung wartete er bis zum Parlamentsentscheid über die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative ab.
Die RASA-Initiative empfiehlt der Bundesrat zur Ablehnung. Diese will den Zuwanderungsartikel streichen, der mit Annahme der Masseneinwanderungsartikel am 9. Februar 2014 in die Verfassung aufgenommen worden ist.
Das Volksbegehren wurde im Oktober 2015 mit 110'000 Unterschriften eingereicht. Dahinter steht eine Bürgerinitiative, die von Organisationen und mehreren hundert Privatpersonen unterstützt wird, darunter Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Forschung und Kultur. (SDA/vuc)