Solothurn sagt Ja zu Gummi-Paragrafen
Wer kontrolliert die Kondom-Pflicht für Freier?

Strengere Sitten für Freier im Kanton Solothurn. Mit dem neuen Wirtschaftsgesetz wird die Kondom-Pflicht eingeführt. Sexarbeit-Beratungsstellen sind aber skeptisch.
Publiziert: 09.03.2015 um 19:58 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 03:05 Uhr
In Solothurn herrscht auf dem Strich und in Puffs neu Kondom-Pflicht.
Foto: Keystone
Von Ruedi Studer

Das Solothurner Stimmvolk segnete gestern ein neues Wirtschafts- und Arbeitsgesetz ab. Mit der obsiegenden Variante wurden nicht nur längere Ladenöffnungszeiten bachab geschickt, sondern auch die Sexarbeit neu geregelt. Für Freier gelten nun strengere Sitten. Das neue Gesetz verpflichtet nämlich auch die «Kunden und Kundinnen».

Konkret: «Kunden und Kundinnen von Sexarbeit dürfen Sexarbeit nur unter Einsatz der grundlegenden Massnahmen zum Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten in Anspruch nehmen.» Will heissen: Kondom-Pflicht für Freier!

Pionier-Kanton Solothurn

Solothurn ist offenbar der erste Kanton in der Schweiz, der die Kondom-Pflicht so ins Gesetz schreibt. Ursula Kocher, Leiterin der Frauenberatung Dora Flora, die in Zürich den Strassenstrich betreut, ist jedenfalls keine andere derartige Regelung bekannt.

Was hält sie von der Kondom-Pflicht? «Theoretisch macht es natürlich Sinn, dass eigentlich beide Seiten verpflichten werden sollten, sich vor übertragbaren Krankheiten zu schützen», sagt sie Blick.ch. «Das Problem sehe ich aber in der Durchsetzung. Ich kann mir nicht vorstellen, wer und wie eine ‚Kondom-Pflicht’ effektiv kontrollieren könnte – vor allem nicht die Verstösse der Freier.»

Beratungsstelle plädiert für Aufklärungsarbeit

Kocher stellt lieber die Aufklärungsarbeit in den Vordergrund. Zudem appelliert sie an die Verantwortlichkeit der Sexarbeiterinnen und der Freier. Man müsse ihnen klar machen, dass jede und jeder für sich selber verantwortlich sei. 

«Vor allem bei den Sexarbeiterinnen ist der Körper das einzige Kapital. Wenn sie krank werden, können sie nicht mehr arbeiten – und nichts mehr verdienen», so Kocher. «In Zürich arbeiten wir von der Frauenberatung Flora Dora ganz stark mit diesem präventiven Ansatz, und die Zürcher Aids-Hilfe Don Juan macht das gleiche auf Seiten der Freier.»

«Schwarzmarkt» für Sex ohne Gummi

Zudem befürchtet Kocher, dass der «Schwarzmarkt» für Sex ohne Gummi gerade durch die Kondom-Pflicht angekurbelt werden könnte. «Dies würde die Sexarbeiterinnen zusätzlich unter Druck setzen und ihre Verletzlichkeit weiter vergrössern», so Kocher. «Eine positive Folge könnte sein, dass sie allenfalls eine Möglichkeit hätten, einen Freier anzuzeigen. Dies ist aber nicht im Sinn der Sexarbeiterin ist – schliesslich ist der Freier ihr Kunde.»

Einer nationalen Regelung für eine Kondom-Pflicht steht Kocher denn auch skeptisch gegenüber: «Ich halte es für zielführender, die Präventionsbemühungen ausbauen und weiter zu unterstützen.»

«Es werden keine Polizisten daneben stehen»

Jonas Motschi, Chef des zuständigen Solothurner Amts für Wirtschaft und Arbeit, macht klar: «Wir werden nicht kontrollieren gehen, ob jemand geschützt oder ungeschützt verkehrt. Es werden keine Polizisten daneben stehen!»

Dann ist die Kondom-Pflicht bloss ein Papiertiger? «Nein, es ist richtig, dass dieser Passus als Straftatbestand im Gesetz steht. Es ermöglicht den Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern, Anzeige zu erstatten, wenn jemand partout ungeschützten Sex will. Es gibt den Anbieterinnen ein Instrument  zum Selbstschutz in die Finger und stärkt sie», ist Motschi überzeugt. «Und es ist ein klares Signal an die Freier: Immer mit!»

Mit dem Gesetz werde das Sexgewerbe insgesamt neu geregelt und besser kontrollierbar, sagt Motschi. «Ich erhoffe mir jedenfalls eine positive Wirkung in einem Bereich, in dem nicht alles so einfach zu regeln und durchzusetzen ist.»

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