Solidarität auf Prüfstand
Keller-Sutter sieht keine Ungleichbehandlung von Flüchtlingen

Justizministerin Karin Keller-Sutter schliesst nicht aus, dass die schweizweite Solidarität abebben könnte, «falls noch viel mehr Flüchtlinge kommen und die Behörden ihre Aufgaben nicht machen». Eine Ungleichbehandlung mit anderen Flüchtlingen sieht sie nicht.
Publiziert: 29.03.2022 um 15:32 Uhr
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Aktualisiert: 29.03.2022 um 15:44 Uhr
Bundesrätin Karin Keller-Sutter erhofft sich auf europäischer Ebene einen verstärkten Fokus auf die Registrierung der Flüchtlinge aus der Ukraine.
Foto: OLIVIER HOSLET

Der erstmals angewandte Asylstatus S sorge zuerst einmal dafür, dass das System angesichts der schieren Menge von Schutzsuchenden nicht kollabiere, sagte Keller-Sutter am Dienstag im Tagesgespräch von Radio SRF. Zudem hätten die allermeisten dieser Menschen den festen Willen, in die Ukraine zurückzukehren.

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Und sie verstünden sich insbesondere nicht als Flüchtlinge, sondern als Vertriebene. Diese Menschen seien kollektiv bedroht. Man dürfe die Situationen nicht vermischen. Insofern sehe sie keine Ungleichbehandlung oder Bevorzugung der ukrainischen Flüchtlinge gegenüber anderen Flüchtlingen, die in die Schweiz kommen. Grundsätzlich basiere die Asylpraxis der Schweiz weiterhin auf der Einzelfallprüfung.

Auf die Frage, ob sie nicht Angst habe, dass die grosse Solidarität in der Schweiz schon bald abebben könnte, sagte die Magistratin, das Risiko sehe sie schon, insbesondere, wenn noch viel mehr als die erwarteten 50'000 Flüchtlinge in die Schweiz kommen sollten und die Behörden ihre Aufgaben nicht erledigten.

Und weiter sagte Keller-Sutter dazu: «Wenn wir die Solidarität auch in einem halben Jahr oder Jahr behalten und mittelfristig glaubwürdig bleiben wollen, dann müssen wir Rechenschaft ablegen können, wer in die Schweiz und den Schengenraum gekommen ist.» Insofern befinde man sich auf einer Gratwanderung zwischen Opferschutz und Sicherheit.

Um die Aufgabe bewältigen zu können, sei es für sie zentral, dass alle beteiligten Behörden, Stellen und Organisationen grosszügig untereinander seien. «Wir müssen auch mal fünf gerade sein lassen und uns gegenseitig stützen, sonst können wir die Aufgabe nicht lösen.»

Dass sie selber einen Sinneswandel durchgemacht habe seit ihrer Zeit als Justizministerin im Kanton St. Gallen, wo sie eher als Hardlinerin galt, wies Keller-Sutter von sich. «Ich habe mich nicht verändert.» Mit solchen Zuschreibungen müsse sie halt leben. Ihre Aufgabe sei die Umsetzung des Asylgesetzes. Das sei manchmal eine unangenehme Aufgabe.

Sie räumte aber ein, dass der Krieg mitten in Europa, den man nicht für möglich gehalten habe, «uns alle trifft». Viele Menschen in der Schweiz hätten deshalb das Gefühl, «das könnten auch wir sein». Ganz besonders nahe gehe einem die Situation, weil rund die Hälfte der Kinder eines ganzen Landes auf der Flucht sei. Das seien besonders verletzliche Menschen.

(SDA)

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