Darum gehts
- Weinfelden plant muslimische Grabfelder, Referendum dagegen wurde ergriffen
- Gegner sehen es als Sonderbehandlung, Befürworter als Integration
- Höchstens 70 nach Mekka ausgerichtete Gräber geplant
Eine würdige Bestattung steht in der Schweiz allen Menschen zu – unabhängig von Religion oder Herkunft. So garantiert es die Bundesverfassung. Doch in Weinfelden TG zeigt sich: Ganz so einfach ist es nicht!
Das Stadtparlament beschloss mit grosser Mehrheit, auf dem Friedhof eine Bestattungsart nach islamischer Tradition zu ermöglichen. Doch Gegner ergriffen erfolgreich das Referendum. Warum sind muslimische Gräber so umstritten?
Im neuen Friedhofsreglement ist die Rede von einem «Grabfeld nach islamischer Tradition, das nach Mekka ausgerichtet ist». Die Gräber sollen nach Südosten zeigen und eine Länge von 2,1 Metern haben – länger als die üblichen Gräber mit 1,65 Metern. Eine Kommission hatte zuvor geprüft: Die Umsetzung sei problemlos möglich. Vorgesehen sind maximal 70 solcher Gräber.
Für das Referendumskomitee kommt die geplante Umsetzung einer Sonderbehandlung gleich. Federführend ist EDU-Kantonsrat Lukas Madörin (45). Auch ein grosser Teil der lokalen SVP stellt sich gegen das geplante Friedhofsreglement. Die Kritik: Eine solche separate Regelung sei überflüssig – sie bestärke gerade jene Gläubigen, die sich einer Integration verweigerten.
Der Gemeindefriedhof sei eine staatliche Angelegenheit, sagte Madörin zu SRF. «Es ist stossend, dass auf einmal eine Religion im Friedhofsreglement erwähnt wird.»
Eine würdige Bestattung für alle?
Adem Kujovic, Generalsekretär des Dachverbandes Islamischer Gemeinden Ostschweiz (Digo), kann die Sorgen teils nachvollziehen. Den Argumenten entgegnet er: Das geplante muslimische Grabfeld auf dem Friedhof in Weinfelden sei kein abgeschlossener, exklusiver Bereich, sondern ein Teil des öffentlichen Friedhofs.
Das Bedürfnis, eine Bestattungsmöglichkeit nach islamischem Ritus für die muslimische Bevölkerung zu haben, steige kontinuierlich. «Ein hiesiges Grabfeld steht für Zugehörigkeit – für das Bedürfnis, dort zur Ruhe zu kommen, wo man gelebt, geliebt und gewirkt hat», sagt Kujovic zu Blick.
Alexandra Beck (Die Mitte), Co-Präsidentin von «Pro Friedhofreglement», findet ebenso: «Die Trennung wird nicht wieder eingeführt, sondern endlich durchbrochen.» Denn, obwohl der Friedhof in Weinfelden theoretisch allen offenstand, wurden dort bislang «grossmehrheitlich Menschen aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis und nicht-religiöse Menschen» bestattet.
Im Komitee «Pro Friedhofreglement» sind Vertreter aus nahezu allen Parteien vertreten – von der SP bis zur SVP. Einzig die EDU ist nicht dabei.
Warum sich die Gegner so vehement gegen die Grabfelder stellen, erklärt Beck mit tief verwurzelten Ängsten. «Im Friedhofreglement kommt das Wort Islam vor – das empfinden manche Personen als störend.» Hinzu komme, dass die Referendumsführenden in ihrer Kommunikation vieles vermischten, kritisiert Beck. «Alles, was auf der Welt Negatives mit dem muslimischen Glauben assoziiert wird, wird plötzlich mit dem Friedhofsreglement in Weinfelden in Verbindung gebracht.»
Debatte wird hitzig geführt
Beck ist überzeugt: «Viele finden es wichtig und richtig, allen Weinfelderinnen und Weinfeldern ein würdiges Begräbnis zu ermöglichen.» Bedenken und Ängste nehme sie ernst. Dennoch ist sie der Überzeugung, dass diese unbegründet sind, «gerade weil das Anliegen von sehr gut integrierten Musliminnen und Muslimen kommt».
Das aufgeheizte politische Klima ist auch in der Bevölkerung spürbar. Die Meinungen werden immer seltener nüchtern und rational geäussert. Stattdessen dominieren in Kommentarspalten oder Leserbriefen Unmut, teils sogar Hass – und auf beiden Seiten kursieren viele Vorurteile.
Referendumsführer Madörin berichtete in der «Thurgauer Zeitung», dass er wütende Briefe bekomme und Verleumdung erlebe. Er bezeichnet die Debatte um das muslimische Grabfeld als «politisches Pulverfass». Die Debatte müsse aber geführt werden, ohne dass direkt der Vorwurf der Intoleranz im Raum stehe.
Wo es schon muslimische Grabfelder gibt
Wie sich unterschiedliche Bestattungsformen konfliktfrei auf einem Friedhof vereinen lassen, zeigen verschiedene Beispiele aus der Schweiz. So gibt es auf dem Friedhof Saint-Georges im Kanton Genf bereits seit 1979 muslimische Grabfelder.
Auch in den Kantonen Aargau, Zürich, Basel-Stadt, Bern, Luzern, Solothurn und im Tessin existieren islamische Grabstätten auf kommunalen Friedhöfen – und Probleme werden kaum je öffentlich. Ob das Referendum in Weinfelden Erfolg hat, entscheidet sich am 18. Mai.