Sie ist bei den Wahlen die haushohe Favoritin
Die vielen Gesichter der Angela Merkel

Wenn die Deutschen am 24. September den Bundestag wählen, geht Angela Merkels CDU als klare Favoritin ins Rennen. Die Kanzlerin selber gilt daher jetzt schon als wiedergewählt. Wer ist diese Frau, die die Welt bewegt und einst trotz Bestnoten fast von der Schule flog? BLICK zeigt die vielen Gesichter einer grossen Freundin der Schweiz.
Publiziert: 02.09.2017 um 12:43 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:26 Uhr
Guido Felder

Die Offene

Es waren Worte, welche die Welt bewegten: Als Angela Merkel 2015 «Wir schaffen das» versprach, setzten sich Flüchtlingsströme in Richtung Europa und vor allem Deutschland in Bewegung. Obwohl sie heute einiges anders machen würde, steht die Kanzlerin immer noch hinter ihrer viel kritisierten Willkommenskultur. Bei der Einweihung eines Denkmals für die Berliner Mauer in Brüssel sagte Angela Merkel im Frühling: «Nicht Abschottung und Mauern sind erfolgreich, sondern offene Gesellschaften, die auf gemeinsamen Werten aufgebaut sind.»

Die Offene
Foto: picture alliance/dpa, AFP, ullstein bild, DUKAS, Getty Images, LAIF, AP

Die Russland-Kennerin

Merkel ist nicht nur ein Mathematik-Ass, sondern auch ein Sprachgenie, wie ihre frühere Russischlehrerin Erika Benn sagt. Weil Angela Kasner – so hiess Merkel früher – eine der besten Russischschülerinnen der ganzen DDR war, durfte sie 1970 als 16-Jährige an der Russisch-Olympiade in Moskau teilnehmen. Diese Reise nutzte sie übrigens für einen Besuch im Plattenladen, wo sie ihre erste Beatles-Scheibe «Yellow Submarine» kaufte. Wenn Merkel Russland-Präsident Wladimir Putin (64) trifft, spricht sie Russisch, er antwortet auf Deutsch.

Die Russland-Kennerin
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Die Kämpferin

Ende 2013 brach sich Merkel in den Skiferien bei St. Moritz GR das Becken. Ihr Regierungssprecher sagte damals: «Sie ist hingefallen. Beim Langlauf. Wir gehen von niedriger Geschwindigkeit aus.» Wegen des Unfalls in der Schweiz mit DDR-Skiern musste Merkel zwar mehrere Termine absagen, regierte aber dennoch unter schweren Schmerzen drei Wochen lang vom Krankenbett aus.

Die Kämpferin
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Die Sparsame

Bescheidenheit statt Protz: Angela Merkel lebt ihre gepredigte Sparsamkeit auch selber. Immer wieder stürzt sie sich in alte Klamotten. So taucht sie regelmässig in einer bunten Jacke im Kimono-Stil auf, die sie in Kalifornien gekauft hatte. Zum ersten Mal präsentierte sie das Stück 1996 an einem Klavierkonzert. Bekannt ist auch ihre petrolfarbene Robe.

Die Streberin

1978 schloss Merkel an der Karl-Marx-Universität in Leipzig (D) ihr Physikstudium ab. Der Titel ihrer Dissertation lautete: «Untersuchung des Mechanismus von Zerfallsreaktionen mit einfachem Bindungsbruch und Berechnung ihrer Geschwindigkeitskonstanten auf der Grundlage quantenchemischer und statistischer Methoden». Für ihre Doktorarbeit über den Einfluss des räumlichen Zusammenhangs bei bimolekularen Elementarreaktionen in dichten Medien bekam sie die Bewertung «sehr gut». Schon beim Abitur hatte Merkel mit der Bestnote 1,0 geglänzt.

Die Ehefrau

Angela Merkel ist zum zweiten Mal verheiratet. Den ersten Mann, Ulrich Merkel (64), lernte sie 1977 während eines Studentenaustauschs in Moskau kennen. Die Ehe hielt nicht lange. Ulrich Merkel sagte später zur überraschenden Trennung: «Eines Tages packte sie ihre Sachen und zog aus unserer gemeinsamen Wohnung aus. Sie hatte das mit sich selbst ausgemacht.» 1984 lernte sie an der Akademie der Wissenschaften der DDR den Quantenchemiker Joachim Sauer (68) kennen, mit dem sie seit 1998 verheiratet ist. Sauer brachte zwei Söhne mit in die Partnerschaft.

Die smarte Sprecherin

1990 wurde Angela Merkel stellvertretende Regierungssprecherin der DDR. Ihre Leistungen wurden schnell öffentlich bekannt. Die Sozi-Zeitung «Neues Deutschland» schrieb, es sei ihr gelungen, sich durch «Intelligenz und Zuverlässigkeit einen Ruf zu schaffen, der sie für Höheres empfehle».

Die smarte Sprecherin
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Die Aufmüpfige

Bei einer von ihr mitorganisierten Demo für Vietnam sang ihre Schulklasse das sozialistische Kampflied «Die «Internationale» auf Englisch, also ausgerechnet in der Sprache des DDR-Klassenfeindes. Zudem rezitierte die Klasse ein Gedicht von Christian Morgenstern, aus dem Andeutungen über die Mauer herausgelesen werden konnten. Nur dank der guten Beziehungen ihres Vaters konnte Merkel den Schulverweis abwenden.

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Die Trösterin

Sie hat ein Herz für Flüchtlinge, sozial Benachteiligte – und für unglückliche Verlierer. So nahm sie 2008 den deutschen Fussballtrainer Jogi Löw (57) in die Arme, als die National-Elf im EM-Final den Spaniern mit 0:1 unterlag. 2015 tröstete sie auch die Angehörigen des German-Wings-Absturzes. Am Gymnasium in Haltern (D), das 18 seiner Schüler bei der Katastrophe verlor, nahm sie sich eineinhalb Stunden Zeit. Am Schluss verabschiedeten die trauernden Schüler Merkel mit Applaus.

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Die Badenixe

Mit Spitzensport hat Angela Merkel nichts am Hut. Als sie jung war, wollte sie Eiskunstläuferin werden, fiel aber bei der in der DDR üblichen Prüfung in allen Sportarten durch. Dennoch ist Sport ein beliebtes Hobby geblieben: Regelmässig erwischen sie Paparazzi beim Langlaufen in den Alpen oder beim Schwimmen auf der Insel Ischia.

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Die Demütige

Der Glaube an Gott und die Nähe zur Kirche haben Angela Merkel von Kindheit an geprägt. Ihr Vater war reformierter Priester – kein einfacher Beruf in der sozialistischen DDR. Heute sagt die Vorsitzende der Christlich Demokratischen Union (CDU): «Der christliche Glaube und seine ausgebildete Kultur sind der Kompass, zum dem ich das Vertrauen habe, dass er die massgebliche Richtung anzeigt.»

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Die Schweiz-Freundin

Mit dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative schaffte sich die Schweiz im Ausland nicht nur Freunde. Doch Angela Merkel hielt auch nach diesem Volksentscheid zu uns: Sie plädierte – entgegen der Forderung der EU – für eine Fortsetzung von Forschungsprogrammen. Als sie 2015 den von der Uni Bern verliehenen Ehrendoktortitel entgegennahm, sagte sie: «Die Schweiz ist ein enger Freund.»

Die Schweiz-Freundin
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Die Qual der Wahl

Kommentar von Daniel Riedel, Co-Teamleiter News, zu der schwierigen Stimmabgabe eines Deutschen in der Schweiz

Es ist das sehr deutsche Wort «Bürgerpflicht», das mich alle vier Jahre Nerven kostet. Denn: Als Auslandsdeutscher ist es extrem aufwendig, sich die Bundestagswahlunterlagen zu beschaffen.

Der Marathon beginnt im Internet unter bundeswahlleiter.de. Erste Hürde: ein 7-seitiges Formular, das in der Aufmachung an die verhasste Steuererklärung erinnert. Wichtig auch: meine letzte deutsche Melde­adresse plus Auszugsdatum. Damit nicht genug: Nun muss noch die korrekte Anschrift des Wahlbüros der alten Heimatgemeinde recherchiert werden.

Alles ausdrucken, unterschreiben, frankieren, abschicken. Nun beginnt das Warten. Ein Mail aus Berlin trifft ein. Betreff: Nichtabmeldung. Der Sachbearbeiter begrüsst den Eingang meines förmlichen Wahlantrags, behauptet aber, ich hätte mich nie ordentlich ­abgemeldet. In den Untiefen meiner Akten findet sich wie durch ein Wunder das amtliche ­Schreiben vom Juni 2012.

Wochen später ein dicker ­Umschlag im Briefkasten. Darin: Wahlzettel, Wahlbrief, zwei Wahlumschläge (blau und rot). Ich muss unterschreiben, dass ich ohne Hilfe gewählt habe. Dann darf ich Erst- und Zweitstimme vergeben.

Nun: Wahlzettel in den blauen Brief, dann alles in den roten Umschlag. Der Bundeswahl­leiter hat noch einen Tipp parat: die Post ausreichend frankieren, mit Luftpostkleber versehen, klären, ob rote Umschläge im besagten Ausland überhaupt befördert werden. Die deutsche Botschaft in Bern ist keine Hilfe. Zahlen zur Wahlbeteiligung der Deutschen in der Schweiz werden nicht erfasst. Man fragt sich ja schon: Wer tut sich den Stress freiwillig an?

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Kommentar von Daniel Riedel, Co-Teamleiter News, zu der schwierigen Stimmabgabe eines Deutschen in der Schweiz

Es ist das sehr deutsche Wort «Bürgerpflicht», das mich alle vier Jahre Nerven kostet. Denn: Als Auslandsdeutscher ist es extrem aufwendig, sich die Bundestagswahlunterlagen zu beschaffen.

Der Marathon beginnt im Internet unter bundeswahlleiter.de. Erste Hürde: ein 7-seitiges Formular, das in der Aufmachung an die verhasste Steuererklärung erinnert. Wichtig auch: meine letzte deutsche Melde­adresse plus Auszugsdatum. Damit nicht genug: Nun muss noch die korrekte Anschrift des Wahlbüros der alten Heimatgemeinde recherchiert werden.

Alles ausdrucken, unterschreiben, frankieren, abschicken. Nun beginnt das Warten. Ein Mail aus Berlin trifft ein. Betreff: Nichtabmeldung. Der Sachbearbeiter begrüsst den Eingang meines förmlichen Wahlantrags, behauptet aber, ich hätte mich nie ordentlich ­abgemeldet. In den Untiefen meiner Akten findet sich wie durch ein Wunder das amtliche ­Schreiben vom Juni 2012.

Wochen später ein dicker ­Umschlag im Briefkasten. Darin: Wahlzettel, Wahlbrief, zwei Wahlumschläge (blau und rot). Ich muss unterschreiben, dass ich ohne Hilfe gewählt habe. Dann darf ich Erst- und Zweitstimme vergeben.

Nun: Wahlzettel in den blauen Brief, dann alles in den roten Umschlag. Der Bundeswahl­leiter hat noch einen Tipp parat: die Post ausreichend frankieren, mit Luftpostkleber versehen, klären, ob rote Umschläge im besagten Ausland überhaupt befördert werden. Die deutsche Botschaft in Bern ist keine Hilfe. Zahlen zur Wahlbeteiligung der Deutschen in der Schweiz werden nicht erfasst. Man fragt sich ja schon: Wer tut sich den Stress freiwillig an?

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