Die türkischen Behörden machen Ernst. Frau K.*, eine im Raum Basel lebende Kurdin, wird Ende Januar im Osten des Landes, vor Gericht gestellt. Der Vorwurf laut Anklageschrift: Beleidigung des Staatsoberhaupts Recep Tayyip Erdogan (63).
Seit einem Ferienaufenthalt im September wird K. in der Türkei festgehalten, der Pass wurde ihr abgenommen. Ohne den kann sie nicht ausreisen. Im Oktober machte SonntagsBlick den Fall publik, nun spitzt sich die Situation für die Betroffene weiter zu. K. ist im achten Monat schwanger. Kurz nach dem voraussichtlichen Beginn ihres Prozesses soll das Kind zur Welt kommen. «Sie ist körperlich stark angeschlagen», sagt ihr Ehemann.
Einige Einträge auf seiner Facebook-Seite, berichtet K., würden nun zum Vorwand genommen, seine Frau vor Gericht zu zerren. Er – und nicht die Angeklagte – hätten in dem sozialen Netzwerk Erdogan-kritische Art ikel gepostet.
Sie lebt seit 38 Jahren in der Schweiz
«Sie selbst hat sich nie politisch geäussert, seit wir hier leben», betont K., der aus Sorge um seine Frau anonym bleiben will. Der gebürtiger Kurde lebt seit 38 Jahren in der Schweiz. Beide besitzen keinen Schweizer Pass, weshalb das Aussendepartement kaum Handhabe hat, sich für sie einzusetzen.
Die Strategie des Regimes in Ankara ist simpel. Selbst Kritiker ausserhalb des Landes sollen zum Schweigen gebracht werden. Und sei es aus Angst um die eigenen Angehörigen. Was Herr und Frau K. widerfahre, sei kein Einzelfall, sagt die Grünen-Nationalrätin und Politikerin der Basler Partei BastA, Sibel Arslan (37). «Es sind mehrere in der Schweiz wohnhafte Personen betroffen, die entweder nicht mehr in die Türkei einreisen können oder das Land zeitweise nicht mehr verlassen durften.»
BastA fordert die Schaffung einer Anlaufstelle, bei der solche Fälle gemeldet werden können. Ihr und ihrer Partei sei es aber wichtig, dass die offizielle Schweiz den Dialog nicht abreissen lasse. «Eine Konfrontation bringt niemandem etwas», so Arslan.
«Einschüchterung ist Programm, so funktioniert dieses Regime», sagt auch SVP-Nationalrat und Aussenpolitiker Roland Rino Büchel (52). Er stelle dies selbst bei Sitzungen im Europarat fest. «Viele türkische Delegierte sind sehr verängstigt», so der Rheintaler.
Sorge ums ungeborene Kind
Zum Verfahren gegen Frau K. sagt Büchel, «dass derartige Konflikte mit der Zuwanderung quasi in die Schweiz importiert» würden. Das heisse aber nicht, dass sich türkischstämmige Menschen hierzulande nicht frei äussern sollten. «Im Gegenteil», betont der SVP-Mann, «sie dürfen sich nicht einschüchtern lassen. Sie sollen hier frei leben können, denn diese Freiheit haben sie ja gesucht.» Mit Blick auf den anstehenden Prozess macht Büchel dennoch klar: «Konsularischen Schutz für Nichtschweizer kann und soll die Schweiz in keinem Fall leisten.»
Noch ist im Fall K. kein Urteil gesprochen. Bestraft sind sie und ihr Mann aber schon heute: Freunde hätten den Kontakt abgebrochen. Sie seien isoliert. Derweil türmten sich die Kosten für Anwälte und Ärzte zu einem Schuldenberg, erzählt K.
Die Sorge um seine Frau und das ungeborene Kind sowie die Trennung hätten ihm derart zugesetzt, dass er sich in psychiatrischer Behandlung befinde. Seit zwei Monaten könne er nicht mehr arbeiten. Nun verbringt K. seine Zeit mit Malen und Spazierengehen: «Meine Ärzte sagen, das könne mir helfen, mich von der Angst um meine Frau abzulenken. Aber denken kann ich an nichts anderes.»
* Namen der Redaktion bekannt
Bern – Das Umfrageinstitut GfS Bern hat erstmals gezielt Muslime zu ihrem Verhältnis zu Staat und Gesellschaft befragt. Die Pilotstudie ist aufschlussreich, aber nicht repräsentativ. Zudem ist sie umstritten, weil die Umfrage von der UETD Switzerland in Auftrag gegeben wurde, der Auslands-Lobbyorganisation des türkischen Präsidenten Erdogan.
Bern – Das Umfrageinstitut GfS Bern hat erstmals gezielt Muslime zu ihrem Verhältnis zu Staat und Gesellschaft befragt. Die Pilotstudie ist aufschlussreich, aber nicht repräsentativ. Zudem ist sie umstritten, weil die Umfrage von der UETD Switzerland in Auftrag gegeben wurde, der Auslands-Lobbyorganisation des türkischen Präsidenten Erdogan.