Die Schülerinnen und Schüler haben schwer zu schleppen. Prall gefüllt sind die Rucksäcke, mit denen sie am Montagmorgen im Schulhaus Krummfeld in Seewen SZ die Treppen zum Klassenzimmer hochsteigen. Es ist 7.55 Uhr, in fünf Minuten beginnt der Unterricht. Nach sechs Wochen Fernunterricht und zwei Wochen Ferien müssen sich die Schulkinder der Klasse 5/6b zuerst wieder einrichten. Alle Rechenaufgaben auf einen Stapel, die Hefte unters Pult, das Etui griffbereit.
Begrüssung per Fussstupser
Während der Unterricht in einigen Kantonen in den ersten Tagen oder Wochen erst nur in Halbklassen stattfindet, ist im Kanton Schwyz sehr vieles gleich wie vor der Corona-Krise. Rektor Paul Stalder (52) spricht von einer «Teilnormalität», zu der man zurückgefunden habe. Was das heisst, bemerken die Schüler schon beim Hereinkommen. «Zutritt nur für Schülerinnen und Schüler und Lehrpersonal!», steht auf einem Zettel an der Eingangstür, gleich dahinter steht ein Desinfektionsmittel-Spender. Im Klassenzimmer begrüsst Lehrer Andreas Schwegler (39) seine 18 Fünft- und Sechstklässler per Fussstupser.
Weitere Regeln ruft Schwegler seinen Schützlingen zu Beginn der ersten Unterrichtsstunde in Erinnerung: Beim Hereinkommen Händewaschen nicht vergessen. Kein Znüni teilen. Und auch kein Tschutten auf dem Pausenplatz. Gerade letztere beiden Massnahmen wurmen die Schüler. «Dass wir das Znüni nicht mehr teilen dürfen, ist das Blödste», sagt Cecile (12). «Wenn jemand seines vergessen hat, können wir ihm jetzt gar nichts von uns geben.»
Das Handy kann nicht mehr ablenken
Davon abgesehen sind die Primarschüler aber glücklich, wieder zur Schule zu dürfen. Aron (10) sagt: «Ich hätte nie gedacht, dass man sich auf die Schule freuen kann. Also wirklich!» Erst um 8 Uhr aufstehen und sich sich die Arbeit selbst einteilen, das hat Fünftklässler Maurin (11) zwar gefallen. Klassengschpänli Noé (12) gibt aber zu bedenken, dass er sich zu Hause schon nicht ganz so gut konzentrieren konnte wie im Schulzimmer. «Wenn man immer das Handy nebendran hat, muss man immer drauf schauen.» Nicole (11) schätzt ausserdem, dass sie nun bei Fragen nicht immer warten muss, bis ihre Mutter abends von der Arbeit nach Hause kommt oder der Lehrer zurückschreibt. Und sich selbst alles einzuteilen, das sei «manchmal schon ein bisschen ein Stress» gewesen.
Auch Andreas Schwegler hat sich sehr auf die Rückkehr ins Klassenzimmer gefreut. Das merkt man ihm an diesem Morgen an. Der Primarlehrer, im sportlichen T-Shirt und Turnschuhen, sprüht vor Tatendrang. Während seine Schüler dem geteilten Znüni nachtrauern, ist für den Lehrer die grösste Herausforderung, den geforderten Abstand zu halten. «Das ist sehr schwer umzusetzen», gibt Schwegler zu bedenken. Bei einer Matheaufgabe lässt sich nunmal schlichtweg nicht aus zwei Metern Distanz helfen.
Nur die Seifen fehlen noch
Zwar war der Fernunterricht für ihn alles andere als Entspannung. Die Rückkehr in die Normalität fühlt sich für den Lehrer trotzdem ein bisschen so an, als wäre er von einer längeren Ferienpause zurückgekehrt. Es dauert jedoch weniger als eine halbe Lektion, bis nicht nur der Lehrer, sondern auch seine Schüler schon wieder ganz im Schulalltag angekommen sind. Nach einem kurzen Einstieg und einem Corona-Quiz steht an diesem Morgen Mathematik auf dem Stundenplan, gefolgt von Englisch für die Sechst- und Französisch für die Fünftklässler.
«Dass die Schulen jetzt wieder offen sind, tut allen gut», so ein erstes Fazit von Rektor Paul Stalder, der die ersten Minuten Unterricht mitverfolgt hat und sich nun aus dem Klassenzimmer schleicht. Der Chef der Gemeindeschulen in Schwyz schaute an diesem Morgen vorbei, um Lehrern und Schülern den Puls zu fühlen – und einen Kontrollgang zu machen. Er ist sehr zufrieden. Bis auf ein Detail: Die Flüssigseifen in den Schulzimmern fehlten noch, raunt er dem Schulleiter zu.
Die Schüler habens nicht bemerkt. Für sie zählt heute vor allem eins: das Wiedersehen. Es war denn auch nicht die Schule, auf die sich Nicole am meisten gefreut hat. Sondern der Schulweg mit ihren Freundinnen.