Mit dieser Frage beschäftigen sich Politiker und Experten auf der ganzen Welt: Wie soll Atommüll sicher und langfristig endgelagert werden? Der Bundesrat hat diese Woche die Auswahl für ein Tiefenlager auf drei Standorte eingeengt. BLICK erklärt, warum es ein Endlager für Atommüll in der Schweiz braucht, wann es in Betrieb genommen werden könnte und ob das Volk über den Standort mitentscheiden darf.
1. Welche Standorte kommen für ein Tiefenlager in Frage?
Der Bundesrat will drei Standorte für Atommüll-Tiefenlager vertieft untersuchen lassen. Es handelt sich um Jura Ost (AG), Nördlich Lägern (ZH/AG) und Zürich Nordost (ZH/TG).
Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) wollte auf eine weitere Prüfung von Nördlich Lägern verzichten. Dafür seien aber nicht ausreichend Daten vorhanden, argumentierte das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI). Es empfahl deshalb, an den drei Standorten festzuhalten. Der Bundesrat ist dem gefolgt.
2. Ab wann sollen die Endlager in Betrieb genommen werden?
Die Auswahl der Standorte für die Vorbereitung der Rahmenbewilligungsgesuche wird von der Nagra circa 2022 getroffen. Dann ist bekannt, wo voraussichtlich die Tiefenlager gebaut werden sollen. Der abschliessende Standortentscheid und die Rahmenbewilligung des Bundesrats und damit das Ende der dritten Sachplan-Etappe werden für 2029 erwartet.
Der Entscheid des Bundesrats zur Rahmenbewilligung muss vom Parlament genehmigt werden und unterliegt dem fakultativen Referendum (ca. 2031). Bis die Lagerstätten zur Verfügung stehen, dürften also noch 40 Jahre vergehen. Mit Baubeginn rechnet der Bund frühestens 2045. Das Tiefenlager für schwach- und mittelaktive Abfälle (aus der Forschung zum Beispiel) geht voraussichtlich etwa 2050 und jenes für hochaktive Abfälle (aus den AKW) etwa 2060 in Betrieb.
3. Wieso braucht es ein Endlager?
Beim Betrieb der Kernkraftwerke entstehen in den Brennelementen hochaktive Stoffe. Nach drei bis fünf Jahren sind die Brennelemente verbraucht und müssen ersetzt werden. Dann bewahrt man sie für fünf bis zehn Jahre in Abklingbecken auf, bevor man sie in ein Zwischenlager bringt, von wo sie entweder zur Wiederaufbereitung oder direkt in ein geologisches Tiefenlager gebracht werden.
Der Atommüll ist ein strahlendes Erbe für 100 Millionen Jahre. Bisher hat noch kein Land eine Lösung für die sichere Langzeitlagerung des hochradioaktiven Mülls. Die Schweiz braucht ein Endlager, weil es per Gesetz Atommüll für die Lagerung nicht mehr ins Ausland exportieren darf.
Bis 1982 hat die Schweiz den Atommüll der Kernkraftwerke im Meer (Nordostatlantik) versenkt. So taten dies auch Grossbritannien, Belgien, Holland, Deutschland, Frankreich und die USA.
4. Wo wird der Atommüll derzeit gelagert?
Das Kernenergiegesetz von 2005 verbietet den Export abgebrannter Brennstäbe ins Ausland (La Hague in Frankreich, Sellafield in Grossbritannien). Atommüll muss grundsätzlich im Inland entsorgt, beziehungsweise gelagert werden.
Die radioaktiven Abfälle werden im Zwischenlager in Würenlingen (AG) verwahrt. Bevor hochaktive Abfälle und verbrauchte Brennelemente in ein Tiefenlager gebracht werden können, müssen sie etwa 40 Jahre in Zwischenlagern abkühlen. Schwach- und mittelaktive Abfälle werden lediglich so lange zwischengelagert, bis ein geologisches Tiefenlager zur Verfügung steht.
5. Kann das Volk über den Standort der Tiefenlager mitentscheiden?
Das Volk dürfte das letzte Wort haben. Ob sich nur die betroffenen Gemeinden und Kantone äussern dürfen oder ob die ganze Schweiz mitreden darf, ist noch offen – und gibt Anlass zu politischem Streit.
Sicher und verständlich ist: Der Widerstand an einem Atommüll-Lager vor der eigenen Haustür ist immens. Frühere Abstimmungen zeigen: Es ist nicht einfach, die Bevölkerung von einem Atommüll-Tiefenlager zu überzeugen. Mehrmals versenkten die Nidwaldner Pläne für ein Endlager in Wellenberg.