Darum gehts
- Eine Studie hat erstmals die Auswirkungen der Halbierungs-Initiative untersucht
- Das Volksbegehren der SVP bedroht demnach mehr als 6000 Jobs
- SRG-Kritiker zweifeln die Resultate an
Die neue Generaldirektorin Susanne Wille krempelt die SRG um. Anfang Woche lancierte sie die «grösste Transformation» in der Geschichte des Unternehmens. Ihre Knallhart-Ansage: Bis 2029 müssen rund 17 Prozent des Budgets weg. Das sind 270 Millionen Franken und bedeutet einen Stellenabbau im hohen dreistelligen Bereich. «Damit die SRG die SRG bleibt, muss sich die SRG verändern», so Wille.
Der radikale Sparkurs ist nötiges Übel und Beruhigungspille zugleich. Er ist zwingend, weil Medienminister Albert Rösti die Serafe-Gebühren bis 2029 von derzeit 335 auf 300 Franken pro Haushalt senkt. Mit den Kürzungen stellt sich die SRG für die neue Realität auf.
Gleichzeitig dient die Entschlackungskur als Signal an die SRG-Kritiker. Denn mit der Halbierungs-Initiative der SVP, die voraussichtlich 2026 an die Urne kommt, droht der SRG Ungemach in einem Ausmass, das die jetzigen Budgetkürzungen in den Schatten stellen würde. Die Initiative verlangt, dass die TV-Gebühren auf 200 Franken gesenkt werden. Der Bundesrat lehnt sie ab.
«Attacke gegen die Schweiz»
Die SRG und ihre Freunde warnen schon lange vor den verheerenden Folgen der Initiative. Willes Vorgänger Gilles Marchand bezeichnete das Volksbegehren als «Attacke gegen die Schweiz». Käme die Initiative durch, könnte das öffentlich-rechtliche Radio und Fernsehen den Konzessionsauftrag kaum mehr erfüllen.
Wie weitreichend wären die Auswirkungen der Initiative tatsächlich? Eine Analyse im Auftrag des Bundesamts für Kommunikation (Bakom) hat genau das untersucht. Die Studie von BAK Economics liegt Blick vor. Sie entwirft ein Schock-Szenario: Würde das Volk Ja zur Initiative sagen, müsste die SRG mehr als 3000 Leute entlassen. Rund 2400 Vollzeitstellen wären betroffen. Zurzeit arbeiten bei der SRG etwas mehr als 7000 Personen.
Doch das ist noch längst nicht alles. Die Auswirkungen gehen weit über das Leutschenbach hinaus. Weil an der SRG auch viele Stellen in anderen Unternehmen hängen, würde die Halbierungs-Initiative weitere Jobs vernichten. Betroffen wären etwa externe Produktionsfirmen oder IT-Dienstleister.
Die Analyse von BAK Economics rechnet aufgrund der drohenden Einsparungen bei der SRG und des damit verbundenen Wertschöpfungsverlusts mit einem Wegfall von 2450 Vollzeitstellen auch bei anderen Unternehmen. Die Initiative könnte also auch ausserhalb der SRG Tausende arbeitslos machen. Insgesamt wären mehr als 6000 Arbeitsplätze gefährdet.
Regionen würden geschwächt
Die Studie wurde 2024 durchgeführt, bisher aber nie öffentlich thematisiert. SRG-Sprecher Jan Flückiger sagt: «Die Annahme, dass mit der Hälfte der Mittel ein gleichwertiges Informationsangebot und Angebote aus den Bereichen Kultur, Unterhaltung und Bildung finanziert werden können, ist illusorisch.» Er warnt: «Die SRG käme nicht umhin, massiv zu zentralisieren und die meisten ihrer Standorte zu schliessen.» Das würde die Regionen schwächen und sich nachteilig auf die Sprachminderheiten auswirken.
Zu diesem Schluss kommt auch die Analyse von BAK Economics. Die Wirtschaftsforscher gehen davon aus, dass ein Teil der Einsparungen durch die Zentralisierung zahlreicher Unternehmenseinheiten abgewickelt werden müsste. Laut der Analyse wären die Produktionsstandorte in der italienischen und der französischen Schweiz davon besonders stark betroffen.
Im Fall einer Annahme der Halbierungs-Initiative käme es gemäss der Studie «mit grosser Wahrscheinlichkeit» zu einem Konflikt mit Artikel 27 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen. Dieser schreibt vor, dass die Programme der SRG überwiegend in denjenigen Sprachregionen produziert werden müssen, für die sie bestimmt sind. Weil das Parlament wohl an diesem Gesetzesartikel festhalten würde, könnten viele Dienste gar nicht zentralisiert werden. Die dadurch ausbleibenden Effizienzgewinne müssten auf anderem Weg eingespart werden – beim Angebot und der Qualität.
SVP-Nationalrat zieht Zahlen in Zweifel
SVP-Nationalrat Thomas Matter, Mitinitiant der Halbierungs-Initiative, stellt die Studienergebnisse infrage. «Die angeblichen Entlassungszahlen sind unrealistisch hoch», sagt er. Hinzu komme: Die SRG habe ihren Personalbestand seit dem Jahr 2000 massiv aufgestockt. Ganz im Gegensatz zur deutschen ARD etwa, die im gleichen Zeitraum Stellen abgebaut habe. Matter: «Es ist nicht Aufgabe der SRG, eine möglichst hohe Zahl von Mitarbeitenden zu beschäftigen, sondern für die Bevölkerung einen effizienten Service public zu gewährleisten – mit mehr Muskeln und weniger Fett.»
Haben Sie Hinweise zu brisanten Geschichten? Schreiben Sie uns: recherche@ringier.ch
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Letzteres will auch Mitte-Nationalrat Martin Candinas, Co-Präsident der Allianz Pro Medienvielfalt. Er glaubt aber nicht, dass die SRG mit nur 200 Franken pro Haushalt ihr Informationsangebot aufrechterhalten kann. Das sei «schlicht unrealistisch». Der Bündner sagt: «Die Folge der Halbierungs-Initiative wäre ein reiner Sparbetrieb, ein amputierter Service public.» Die Reduktion der SRG-Ausgaben um über 750 Millionen Franken treffe nicht nur das Unternehmen selbst, sondern die ganze Wertschöpfungskette: Produktionsfirmen, Technikdienstleister, Kulturschaffende, Lieferanten.
Populäre Formate verschwinden
Die SRG kürzt bereits jetzt ihr Angebot. Am letzten Sonntag wurde nach 20 Jahren die Gesellschafts- und Kultursendung «G&G – Gesichter und Geschichten» beerdigt. Auch andere populäre TV-Formate fallen weg, «SRF bi de Lüt – Live» zum Beispiel oder das junge Format «We, Myself & Why». Bei der «Tagesschau» werden die Mittags- und 18-Uhr-Ausgaben durch Newsflashes ersetzt, die Diskussionssendung «Club» pausiert neu im Sommer. Und ab 2027 wird die SRG keine National-League-Spiele und keine Fussballspiele der Uefa mehr produzieren.
So einschneidend der laufende Abbau ist: Er wäre nur ein kleiner Vorgeschmack auf die Folgen der Halbierungs-Initiative.