Linke prügeln auf die Nationalbank ein, Rechte machen Zuwanderung verantwortlich
250'000 ohne Arbeit – wer ist schuld?

Fast eine Viertelmillion Menschen sind erwerbslos. Jetzt wird die Politik aktiv: Linke nehmen die Nationalbank ins Visier, Rechte die Personenfreizügigkeit. Der Bund hingegen warnt vor Aktionismus.
Publiziert: 20.05.2016 um 19:35 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 18:36 Uhr
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SNB-Präsident Thomas Jordan.
Foto: PHILIPPE ROSSIER
Christof Vuille und Sermîn Faki

Es brennt auf dem Arbeitsmarkt. Fast eine Viertelmillion Menschen in der Schweiz sind ohne Büez, obwohl sie gerne arbeiten würden. So viele waren es seit 2010 nicht mehr. Besonders stark betroffen sind Ausländer. Von ihnen ist jeder Zehnte erwerbslos, das sind 24'000 oder 22,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Bei den Schweizern nahm die Erwerbslosigkeit um 12,5 Prozent zu, teilt das Bundesamt für Statistik mit.

Doch wer ist schuld an der Job-Misere? Für SP-Nationalrat und Gewerkschaftsboss Corrado Pardini ist der Fall klar: «Der starke Franken hat nun voll durchgeschlagen.» In der Verantwortung sieht er die Nationalbank.

Deren Chef Thomas Jordan habe «eine Blutspur von 42'000 langfristig vernich­teten Stellen hinterlassen». Pardini habe ihn deshalb diese Woche zum Handeln aufgefordert, sagt er. Im Fokus müsse eine Abschwächung des Frankens stehen, etwa mit einem Währungskorb. Im Sommer wird das Parlament entsprechende SP-Vorstösse beraten.

Ganz anders beurteilen Wirtschaftspolitiker der SVP die Lage. Schliesslich seien nun auch in absoluten Zahlen mehr Ausländer als Schweizer erwerbslos. Natio­nalrat Thomas Aeschi (ZG) sieht daher die Personenfreizügigkeit als Hauptproblem. Es komme regelmässig vor, «dass Unternehmen neue Ausländer in die Schweiz holen und gleichzeitig hier beschäftigte Ausländer entlassen». Die Allgemeinheit müsse dann «ihr Arbeitslosengeld berappen». Der SVP-Vizepräsident hofft deshalb, dass das Parlament bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative Hand biete, «die Einwanderung signifikant zu reduzieren und den Inländervorrang einzuführen».

Dass die Arbeitslosenquote bei Ausländern deutlich höher liegt, ist selbst für Pardini keine Überraschung: «Oft sind diese minderqualifiziert und führen manuelle Tätigkeiten aus.» Sie seien die Ersten, «die bei Restrukturierungen auf die Strasse gestellt werden».

Beim Bund hält man den Ball flach. Zwar sei bei Ausländern ein stärkerer Anstieg zu verzeichnen, sagt Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Massiv sei der Unterschied jedoch nicht, die Erwerbslosenquote von Ausländern liege nämlich generell höher als jene von Schweizern. «Dies ist in erster Linie damit zu erklären, dass sie in Branchen mit erhöhten Arbeitslosenrisiken wie dem Bau- oder dem Gastgewerbe übervertreten sind», so Zürcher. Auch in der Seco-Statistik stelle man «keine besondere Betroffenheit von Ausländern fest». Zürcher sieht keine Notwendigkeit zu handeln. «Es bringt jetzt nichts, in Aktivismus zu verfallen», sagt er. Arbeitsmarkt und Konjunktur seien robust, die Aussichten verhalten positiv.

Das geht auch in Richtung SP-Pardini: Zwar dürfte die Zunahme der Arbeitslosigkeit «durchaus mit der Frankenstärke im Zusammenhang stehen», so der Seco-Mann. «Allerdings haben sich die nega­tiven Folgen der Aufwertung in den letzten Monaten eher etwas abgeschwächt.»

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