Darum gehts
- Basit Igtet bewirbt sich als libyscher Premierminister mit Genf als Ölexport-Zentrum
- Igtets Plan: Libysches Öl über Genf exportieren und Einnahmen verwalten
- Ziel: Öleinnahmen innerhalb von drei Jahren um 50 Prozent steigern
Genf könnte eine führende Rolle beim Export von libyschem Öl spielen. Zumindest wenn man davon ausgeht, dass Basit Igtet (54) eine Chance hat, seine Wette zu gewinnen. Der im Ausland lebende Geschäftsmann, der nach seiner Zeit in der Schweiz derzeit in Portugal lebt, bewirbt sich um das Amt des Premierministers in Libyen. Das zerrüttete und in einen Milizen-Krieg verstrickte Land könnte in Kürze unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen einen neuen Regierungschef ernennen.
Igtet kennt die Schweiz gut. Der Mann, der in der Industrie, der Immobilienbranche und im Hotelgewerbe gearbeitet hat, hat lange in Zürich gewohnt. Darüber hinaus war er einer der Akteure des libyschen Aufstands von 2011, der von der Nato und Joseph Hagin, dem einflussreichen Washingtoner Insider, der derzeit der Trump-Regierung angehört, unterstützt wurde.
Igtet, der seit seinen jungen Jahren in Europa im Exil lebte, verliess sich bei seinem Versuch, in Libyen an die Macht zu kommen, weiterhin auf seine amerikanischen Unterstützer. Bereits 2014 bewarb er sich erfolglos um das Amt des Premierministers. Für die Libyer war er damals ein völlig unbekannter Mann. In diesen Jahren war er mit Sara Bronfman verheiratet, der Erbin des jüdischen Milliardärs Edgar Bronfman.
Sara Bronfman soll Igtet den Eintritt in die libysche Politik finanziert haben. Der seit 2023 geschiedene Igtet versucht sein Glück erneut in Libyen mit einem pragmatischen Plan. Seine Chancen schätzt er auf «60 Prozent».
Staatsfonds mit Sitz in Genf
«Seit meiner letzten Kandidatur ist mein Projekt gereift», erzählt er am Telefon. «Man muss sich vor Augen halten, dass es in Libyen keine Wirtschaft gibt, die bewaffneten Gruppen ausser Kontrolle sind und die Korruption endemisch ist. Libyen ist ein Drehkreuz für die Einwanderung nach Europa.»
Er habe eine Zeit lang in Südfrankreich gelebt und die dadurch entstehenden Sicherheitsprobleme gesehen, mit dem Aufstieg der extremen Rechten. «Alles ist miteinander verbunden. Wir müssen den Rechtsstaat wiederherstellen und das Land reindustrialisieren.»
Igtet ist überzeugt, dass die Rettung des Landes von aussen kommen wird. Er will das Ölgeld aus den Klauen der lokalen Korruption herausholen. Er will das Öl aus dem Land schaffen, um es dann in die Entwicklung Libyens zu investieren. Die Exporte und das Vermögen aus dem libyschen Öl sollen in Genf verwaltet werden. Die Gewinne sollen in einem Staatsfonds mit Sitz am Genfersee angelegt werden.
Diskrete Zusammenarbeit
Genf würde in dieser Strategie also eine herausragende Stellung einnehmen. Dies aufgrund der dort vorhandenen hochrangigen Kompetenzen. Vor vier Monaten nahm Igtet Kontakt zu seinem Genfer Berater auf. Seit 15 Jahren kennt er diesen Veteranen der Öl- und Schifffahrtsbranche, der sich bestens mit dem Handel mit Kohlenwasserstoffen auskennt. Das diskrete Büro seiner Firma, die häufig Kontakt mit der Industrie- und Handelskammer Schweiz-Libyen hatte, ist auch auf die Verwaltung von Finanzanlagen spezialisiert, die hauptsächlich mit Energie und Logistik zu tun haben.
Sollte Igtet Premierminister werden, könnte Genf zum internationalen Umschlagplatz für libysches Öl werden. Während der Politiker in Tripolis sitzen würde, wäre das Schweizer Büro dafür zuständig, die weltweiten Exporte von libyschem Rohöl sicherzustellen und die Einnahmen zu verwalten, wobei darauf zu achten wäre, dass sie vor jeglicher Form der Veruntreuung geschützt würden.
Das Ganze würde in enger Zusammenarbeit mit dem libyschen Ölministerium erfolgen, das laut Igtet dieses Know-how benötigt. «In Wirklichkeit brauchen wir Libyer kein Geld aus Europa und auch keine Sicherheit, sondern Know-how», fasst der Kandidat zusammen.
Warum Genf? «Einerseits gibt es in der Schweiz keine Interessenkonflikte», antwortet der Geschäftsmann, «im Gegensatz zu Grossbritannien, Frankreich oder Italien, die Ölgesellschaften im Land haben, die ihre eigenen Agenden verfolgen.» Andererseits soll das Schweizer Bankensystem als Modell dienen, um das libysche Bankensystem zu reformieren. Igtet hofft gleichzeitig, die libyschen Gasexporte nach Europa zu steigern.
Arbeitsplätze schaffen
Eine professionelle Verwaltung des Staatsfonds würde auch bedeuten, dass die Volatilität der Einnahmen kontrolliert wird. Wie alle Länder ist auch Libyen von den stark schwankenden Weltölpreisen abhängig. Ein Teil soll langfristig in den libyschen Staatshaushalt fliessen, ein anderer Teil soll in den Fonds reinvestiert werden und als Polster dienen, um Preisschwankungen abzufedern und den Haushalt zu planen.
Parallel dazu will Igtet das europäische Fachwissen nutzen, um die Landwirtschaft – früher eine der Säulen der libyschen Wirtschaft – neu zu entwickeln und das Land zu reindustrialisieren. «Das wird den vielen jungen Menschen, die derzeit keine andere Wahl haben, als das Land zu verlassen und nach Europa oder anderswohin zu gehen, Arbeitsplätze bieten.»
Socar, ein erfolgreicher Präzedenzfall
Bleibt die Frage, ob Libyen sein Öl noch besitzen wird. «Selbstverständlich gehören die Öl- und Gasanlagen Libyen», stellt Igtet sofort klar. «Wir werden lediglich das Management und die langfristige Planung extern an Fachleute vergeben, die keine Interessenkonflikte haben. Der Plan ist auf acht bis zwölf Jahre ausgelegt.»
Libyen wäre nicht der erste Fall, der über Genf laufen würde: Die Genfer Niederlassung von Socar, der aserbaidschanischen Ölgesellschaft, fungiert auch als Exportarm des Landes in den Rest der Welt. Von ihrem Büro in der Rue du Rhône aus wird das aserbaidschanische Öl international vertrieben.
Öleinnahmen steigern
Für Igtet ist «ohnehin nichts schlimmer als die endemische Korruption», die in Libyen derzeit herrsche. In der unmittelbaren Zukunft wird sein Projekt darauf abzielen, die Öleinnahmen innerhalb von drei Jahren um 50 Prozent zu steigern, was zusätzliche jährliche Einnahmen von 10 bis 15 Milliarden US-Dollar bedeuten würde. Zu diesem Zweck müssten die Pipelines und die Infrastruktur neu gebaut werden.
Igtet, der derzeit eine internationale Kampagne führt, versucht, auf seinem westlichen Netzwerk aufzubauen. Seine Schwäche ist, dass er für die Einheimischen immer noch ein Auslandslibyer ist, auch wenn er im Land etwas bekannter ist als vor zehn Jahren.