Die Schweiz gilt als vorbildliche Demokratie. Nicht viele andere Länder können uns in Sachen Mitbestimmungsrecht das Wasser reichen. Umso erstaunlicher, hat ein beträchtlicher Teil der Schweizerinnen und Schweizer das Gefühl, dass ihr politischer Einfluss eher gering ist. Zu diesem Schluss kommt der neue Sozialbericht des Schweizer Kompetenzzentrums Sozialwissenschaften (Fors).
So ist rund ein Drittel der Ansicht, dass es den Bundesrat und Kantonsregierungen nicht kümmert, was Menschen wie sie denken. Ganze zwei Drittel der Befragten glauben, dass das Parlament ihren Widerstand gegen ein ungerechtes Gesetz nicht ernst nehmen würde.
Wenn man es oft genug sagt
Woher kommt diese schockierende Politikverdrossenheit in einer direkten Demokratie? Fors-Direkor Georg Lutz hat zwei Erklärungen: «Wenn man den Menschen ständig erzählt, dass die 'politische Elite' sowieso tue, was sie wolle, dann glauben sie das auch eher», sagt der Politologe.
Ganz unrecht habe das Volk damit nicht, so Lutz: Beispielsweise würden die Interessen von Menschen mit tieferen Einkommen weniger wahrgenommen: «Sozialhilfebezüger haben zum Beispiel eine weniger starke Lobby im Parlament als die Versicherungen. Dadurch werden logischerweise die Interessen letzterer eher vertreten.»
Volksinitiativen mangelhaft umgesetzt
Doch Lutz sieht noch einen weiteren Grund für die Politikverdrossenheit: «Die Diskussionen in den letzten 20 Jahren über die mangelnde Umsetzung linker und rechter Volksinitiativen haben zum Misstrauen des Stimmvolks beigetragen.»
Die allgemeine Lebenszufriedenheit ist gemäss des Sozialberichtes allerdings hoch. Die Schweizer Bevölkerung sei zufrieden mit ihrem Leben, die grosse Mehrheit empfindet dieses als sinnvoll und selbstbestimmt. Armut, Arbeitslosigkeit und andere Formen der Ausgrenzung beeinträchtigen allerdings das persönliche Wohlbefinden.