Politiker zu Strahms Flüchtlings-«Zeitbombe»
Haben wir überhaupt so viele Jobs?

SP-Mann Rudolf Strahm fordert ein staatliches Arbeitsprogramm für Flüchtlinge. Seine Integrations-Idee stösst in der Politik zwar auf Wohlwollen. Doch es gibt noch viele Fragezeichen.
Publiziert: 15.02.2016 um 13:15 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 04:15 Uhr
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CVP-Nationalrat Gerhard Pfister (ZG).
Ruedi Studer

Alt SP-Nationalrat Rudolf Strahm schlägt Alarm: «Wir stossen an Grenzen bei der Integrationskapazität», sagt er mit Blick auf den Flüchtlingszustrom. Der hohe Anteil von Flüchtlingen in der Sozialhilfe sei «eine tickende Zeitbombe». Für Strahm gibt es nur eine Lösung: «Arbeit statt Sozialhilfe.» 

Für ihn sind Flüchtlinge in der Sozialhilfe eine «tickende Zeitbombe»: SP-Mann Rudolf Strahm.

Strahms Forderung kommt bei Bundespolitikern im Grundsatz gut an. «Es ist erfreulich, wenn ein ehemaliger SP-Politiker Ideen vertritt, die die CVP schon seit langem gefordert hatte», sagt CVP-Nationalrat Gerhard Pfister (ZG). Erst letzten Sommer habe die CVP postuliert, dass zumutbare Beschäftigungsprogramme besser seien als blosse Sozialhilfezahlungen. «Uns wurde damals vorgeworfen, wir förderten die Zwangsarbeit», so Pfister. Daher sei er nun umso mehr gespannt, wie man mit Strahms Forderungen umgeht und ob er in der eigenen Partei Gehör findet.

SP-Schenker: Asylsuchende nicht wie Arbeitslose

Zumindest für SP-Nationalrätin Silvia Schenker (BS) stimmt die Stossrichtung: «Herr Strahm spricht ein sehr wichtiges Problem an, und Handeln ist sicher angezeigt.» Sie teilt seine Einschätzung, «dass steigende Sozialhilfekosten für Asylsuchende ein grosses Problem mit politischem Zündstoff sind». Denn dadurch steige der sowieso schon stark vorhandene Druck auf die Sozialhilfe, und es bestehe die Gefahr, dass Asylsuchende auch deshalb als zu grosse Belastung wahrgenommen würden.

«Ich glaube aber nicht, dass sich das Problem mit einem Programm, wie es Herr Strahm vorschlägt, lösen lässt», sagt Schenker. «Er will Asylsuchende gleich behandeln wie Arbeitslose. Die Voraussetzungen sind aber bei Asylsuchenden nicht vergleichbar.»

Asylsuchende hätten das grosse Handicap, dass sie zuerst eine Landessprache lernen müssten. Viele seien auch gesundheitlich oder psychisch belastet. «Auch das macht eine Integration schwierig», so Schenker.

Sie unterstütze Strahms Forderung, dass sich Gemeinden und Kantone in Hinsicht auf die Integration von Asylsuchenden noch stärker als bis anhin bemühen sollten. «Ich fürchte jedoch, dass es nicht so rasch vorangehen wird, wie sich Herr Strahm wünscht und wie es nötig wäre.»

Das grösste Problem sei nämlich: «Es gibt die von Rudolf Strahm erwähnten Arbeitsplätze nicht in diesem Mass, wie sie notwendig wären.» Das sieht auch CVP-Mann Pfister so: «Es stellt sich die Frage, ob es tatsächlich so viele Beschäftigungsmöglichkeiten gibt. Deshalb muss man die Zahl der Asylbewerbenden beschränken können.»

Grünen-Glättli: «Zwang ist nicht nötig»

Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli (ZH) wiederum meint: «Arbeitsintegrationsprogramme sind sinnvoll, Zwang ist dazu allerdings nicht nötig.» Allerdings gelte es zu berücksichtigen, dass nicht alle Flüchtlinge «einfach Hilfsarbeiter sind, sondern gerade Flüchtlinge aus Syrien oft aus der Mittelklasse und sogar mit akademischem Rucksack kommen». Eine erleichterte Anerkennung beruflicher Qualifikationen oder akademischer Grade sei deshalb sehr wichtig.

Ein Problem sei zudem, dass heute Unternehmen in vielen Kantonen ein aufwendiges Bewilligungsverfahren durchlaufen müssten, wenn sie Flüchtlinge anstellen wollen. «Hier braucht es einfachere Verfahren, damit wir das inländische Arbeitspotenzial von Flüchtlingen nutzen können. Und dann stehen die Unternehmen in der Pflicht, auch Flüchtlinge einzustellen!»

Macht Integration die Schweiz attraktiver?

Für CVP-Mann Pfister ist klar, dass zwischen anerkannten Flüchtlingen, vorläufig Aufgenommenen und Asylsuchenden differenziert werden muss: «Absolute Priorität hat die Beschäftigung von anerkannten Flüchtlingen, denn diese haben ein dauerhaftes Bleiberecht in der Schweiz. Die Erwerbsquote bei dieser Gruppe ist zu tief.»

Bei den anderen Gruppen sei darauf zu achten, dass sie wieder zurück müssten, wenn es die Situation in den Herkunftsländern erlaube, so Pfister. «Hier muss man einen Mittelweg finden zwischen sinnvollen Massnahmen und nicht zu attraktiven Anreizen, weil das wiederum die Schweiz als Destination zu attraktiv machen würde.»

SP-Frau Schenker wehrt sich aber gegen eine solche Unterscheidung: «Auch vorläufig Aufgenommene sollte man so rasch als möglich zu integrieren versuchen, da der grössere Teil der Leute schlussendlich doch hier bleibt.» 

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