Na so was aber auch! Letzte Woche noch mäkelte der französische Präsident an der direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild herum (BLICK berichtete) – und nun denkt Emmanuel Macron (41) offenbar darüber nach, die Franzosen an die Urnen zu rufen.
Wie die französische Wochenzeitung «Le Journal de Dimanche» berichtet, erwägt der angeschlagene Staatschef die Möglichkeit eines Referendums am 26. Mai, um einen Ausgang aus der Krise der Gelbwesten zu finden. Der Innenminister soll bereits mit Druckereien verhandeln, um die Abstimmungsunterlagen produzieren zu lassen.
Über was wird abgestimmt?
Was die Franzosen gefragt werden sollen, ist allerdings noch völlig offen. Gerüchten zufolge könnte es auf eine Reduktion der Parlamentssitze hinauslaufen. Pikant: Der Urnengang soll am 26. Mai – und damit gleichzeitig mit der Europawahl stattfinden.
Letzten Donnerstag hatte Macron im Gespräch mit Journalisten noch gesagt, er halte nichts von Volksabstimmungen. «Frankreich ist nicht die Schweiz», sagte er und schob nach: «Und die Schweiz funktioniert auch nicht so gut, wie man denkt.»
«Wir sind ein gewalttätiges Volk»
Hintergrund der Diskussion ist die Forderung der Gelbwesten, dass die Franzosen – so wie die Schweizer – über Gesetze abstimmen und per Initiative Themen auf die Agenda hieven sollen.
Bei der französischen Elite bissen die Gelbwesten bislang damit auf Granit. Macron traute seinem Volk einen Urnengang nicht zu. Die Franzosen seien nicht für die direkte Demokratie gemacht, sagte er. «Wir sind ein gewalttätiges Volk – seit Jahrhunderten.» Schon aus diesem Grund sei das Schweizer Modell ungeeignet.
Schon vor einigen Wochen hatte der französische Parlamentspräsident Richard Ferrand (56) sich über die direkte Demokratie der Schweiz mokiert. In Wahrheit würde nicht das Volk, sondern «Wirtschafts-Cliquen und Lobbyisten» bestimmen, wie eine Abstimmung ausgeht (BLICK berichtete).
Kritik von der Opposition,Tausende Demonstranten
In Frankreich ist die Skepsis gegenüber Volksabstimmungen generell gross. Und so musste sich Macron postwendend Kritik gefallen lassen. So sagte Laurent Wauquiez (43), Präsident der Sarkozy-Partei Républicains, Macron gehe mit der Abstimmung ein grosses Risiko ein. Die Begrenzung der Parlamentssitze sei nicht die gross Sorge der Franzosen. Vor einer Volksabstimmung «müssen wir wissen, welchen Kurs wir einschlagen wollen – und vor allem daran denken, bestimmte Themen nicht auszuschliessen».
Auch am letzten Wochenende haben in verschiedenen französischen Städten wieder knapp 60'000 Gelbwesten demonstriert. In Paris kam es bei der Ankunft des Demonstrationszugs auf dem Place de la République zu Zusammenstössen mit der Polizei. Es gab laut Polizei 30 Festnahmen. (sf)