Nobelpreisträgerin Beatrice Fihn (35) warnt vor Atom-Krieg
«Trump senkt die Hemmschwelle»

Die Schwedin Beatrice Fihn ist Direktorin der Internationalen Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen (Ican). 56 Staaten haben einen Vertrag der NGO, der ein Verbot von Atomwaffen fordert, bereits unterzeichnet. Für diese Arbeit erhielt die Organisation im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreis. Im Interview erklärt Fihn, warum sie sich vor Donald Trump fürchtet. Und warum auch die Schweiz ein solches Verbot unterstützen müsste.
Publiziert: 29.01.2018 um 13:38 Uhr
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Aktualisiert: 16.10.2018 um 21:24 Uhr
Beatrice Fihn am Mittwoch am WEF in Davos.
Foto: Keystone
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Simon Marti

Frau Fihn, wie hat sich Ihre Arbeit seit dem Nobelpreis verändert?
Beatrice Fihn:
Nun, wir erhalten viel mehr Aufmerksamkeit. Dieses Jahr fuhr ich ans WEF, letztes Jahr wurde ich nicht eingeladen (lacht). Das hilft unserer Kampagne. Die Gefahr der Atomwaffen ist wieder auf der Agenda. Ein wichtiges Zeichen.

Und ein Zeichen der Gefahr?
Ja. Wir beobachten zwei sich widersprechende Trends: jene Länder, die ihre Arsenale modernisieren und in keiner Art und Weise ihren Verpflichtungen nachkommen, und Staaten, die unseren Vertrag unterzeichnet haben.

Schätzungen gehen von rund 27'000 Nuklearwaffen weltweit aus. Wie sicher sind diese Waffen überhaupt gelagert?
Wir wissen aus den USA, dass viele Vorfälle, gar Unfälle, passieren. Und das ist der Staat mit der besten Sicherheitsinfrastruktur! Wir haben keine Ahnung, wie es in Russland, China, Pakistan oder gar in Nordkorea aussieht. Das ist sehr beunruhigend. Niemand ist gegen Unfälle gefeit, sie passieren. Zugleich rückt die Welt täglich näher an den Punkt, an dem diese Waffen auch tatsächlich eingesetzt werden.

Aus welchen Gründen?
Wir erleben eine Unterminierung der Normen. Wenn ich an Donald Trump denke und seine Haltung: «Wir haben diese Waffen, lasst sie uns benutzen», sehen wir, wie weit es gekommen ist. Trump senkt die Hemmschwelle.

Wie meinen Sie das?
Nie würde ein Präsident damit drohen, die Bevölkerung einer ganzen Stadt mit Macheten zu massakrieren. Das ist unvorstellbar! Mit Atomschlägen aber kann gedroht werden, obwohl die Tötung von Zivilisten ein Kriegsverbrechen ist.

Diese Drohungen sind ja aber genau Teil der Abschreckung. Das war schon im Kalten Krieg der Fall. Eingesetzt wurden diese Waffen nie. Ist die Lage heute, fast drei Jahrzehnte nach dem Niedergang  der Sowjetunion, gefährlicher?
Ich werde sicher nicht behaupten, dass es im Kalten Krieg nicht gefährlich war. Es gab genügend Vorfälle, bei denen die Welt knapp an einem Atomkrieg vorbeischrammte. Heute haben noch mehr Staaten Atomwaffen. Die Lage ist fragil. Die Spannungen zwischen Nordkorea und den USA sind in keiner Weise im Gleichgewicht. Und Trump nutzt die Atomwaffen sogar, um damit anzugeben.

Wie wollen Sie diese Spannungen überwinden, wenn Sie nicht einmal mit Nordkorea sprechen können?
Es muss grundsätzlich verpönt sein, diese Waffen zu besitzen. Präsident Obama machte erste, zögerliche Schritte in Richtung Abrüstung. Aber es ist klar, es braucht Zeit. Viel Zeit.

Das Regime in Nordkorea wäre wohl kaum noch an der Macht, könnte Kim Jong Un nicht mit seinen Raketen drohen.
Denken Sie? Das kann man unmöglich wissen. Was wir wissen, ist, dass möglicherweise ein Krieg bevorsteht, eben weil Nordkorea diese Waffen baut. Das Problem sind nicht die Staaten, nicht die Frage, wer rational ist und wer nicht. Das Problem ist die Waffe an sich. Niemand darf per Knopfdruck das Ende der Welt herbeiführen. Ob er nun Obama heisst oder Trump.

Die Schweiz hat den Vertrag zum Verbot von Atomwaffen noch nicht unterschrieben.
Weil die Schweiz unter Druck gesetzt wird von den USA!

Ach, kommen Sie ...
Die USA wissen, dass Länder wie die Schweiz helfen, Normen zu setzen. Darum versuchen sie zu verhindern, dass diese Staaten den Vertrag unterschreiben. Die Schweiz darf sich nicht fürchten, sie soll diesen Vertrag unterschreiben. Und die Schweiz wird das auch tun.

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