Zeugenaussage gegen Straffreiheit und eine neue Identität: In Hollywood-Filmen sind solche Deals zwischen Mitgliedern krimineller Organisationen und den Strafverfolgungsbehörden gang und gäbe.
Ähnliches könnte sich ab Anfang nächstes Jahr auch im Schweizer Polizeialltag abspielen. Mit einer gewichtigen Einschränkung: Straffreiheit müssen sich potenzielle Zeugen abschminken.
«Das wiederspricht unserem rechtsstaatlichen Verständnis»
Die sogenannte «Kronzeugenregelung» wiederspreche dem rechtsstaatlichen Verständnis in der Schweiz, sagt der stellvertretende Chef der Kriminalpolizei, René Wohlhauser. «Zudem würde es dann schnell heissen, wir hätten den Zeugen gekauft.»
Bleibt also die neue Identität. Und erhalten werden diese wohl weniger hochgradig kriminelle als hauptsächlich aussagewillige Opfer krimineller Organisationen.
Als Beispiel präsentierte das Bundesamt für Polizei (Fedpol) heute in ihrem Berner Hauptquartier denn auch den abstrakten Fall der «Maria», Opfer von Frauenhandel.
Um ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen zu werden, muss sie vor allem drei Bedingungen erfüllen: Sie muss mit den Behörden zusammenarbeiten wollen. Ihre Aussagen müssen substanziell, also wichtig für das Verfahren sein. Und sie muss wegen ihrer Zeugenaussagen erheblich gefährdet sein.
Neuer Name, neues Umfeld, neuer Job
Was dann folgt, ist laut Ewa Krenger vom fedpol-Rechtsdienst «ein grosser Einschnitt ins Leben einer gefährdeten Person». «Maria» wird aus ihrem Umfeld herausgerissen, an einem unbekannten Ort untergebracht und hat zunächst auch keine Erwerbsmöglichkeit.
Mögliche Probleme gibt es unzählige: Wie kann ihr Kind in Kuba geschützt werden, braucht auch ihr Partner in der Schweiz eine neue Identität, woher erhält sie Referenzen für Jobbewerbungen unter neuem Namen?
Entsprechend hoch sind die Kosten. Gemäss Schätzungen des Fedpol dürften sie zwischen 5000 und 150'000 Franken pro Jahr und Fall betragen.
Das Fedpol rechnet mit jährlich 10 bis 15 Fällen. Wegen des beschränkten Budgets müsse er unter Umständen konkrete Zeugenschutzprogramme ablehnen, sagt Fedpol-Direktor Jean-Luc Vez.Ein negativer Entscheid bedeute aber nicht eine verstärkte Gefährdung der Person, sondern ein Verzicht auf deren Aussage. (per/sda)