Nach Luzerner Bundesgerichtsurteil zu Krankenkassenprämien
72'000 Kinder profitieren von Verbilligungen

Auch der Mittelstand soll von Vergünstigungen profitieren. Das hat das oberste Gericht im Januar entschieden. Die Kantone haben nun reagiert: Zahlreiche 
Versicherte und Familien müssen künftig weniger zahlen.
Publiziert: 28.04.2019 um 00:03 Uhr
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«Mehr als 72'000 Kinder und Jugendliche erhalten in Zukunft dank der SP neu eine Prämienverbilligung», sagt die sozialdemokratische Nationalrätin Nadine Masshardt (34) aus Bern
Marcel Odermatt und Simon Marti

Als die Lausanner Richter Ende Januar ihr Urteil fällten, schlug der Entscheid ein wie eine Bombe: Luzern gewährt zu wenigen Einwohnern eine Prämienverbilligung.

Mehrmals hatten die Innerschweizer die Einkommensobergrenze zum Erhalt des Krankenversicherungrabatts gesenkt – zuletzt auf 54'000 Franken pro Familie. Das Bundesgericht befand nun, es sei mit Sinn und Zweck der bundesrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar, wenn «nur gerade der unterste Bereich der mittleren Einkommen in den Genuss einer Prämienverbilligung kommt».

Das Urteil angestrebt hatte die Luzerner SP, die sofort in die ­Offensive ging und ein Ultimatum stellte: Nun müssten auch andere Kantone reagieren und eine Anpassung der Prämienverbilligung in die Wege leiten. Sonst würden auch sie verklagt, drohten die Genossen.

In Zürich profitieren die meisten

Die betreffenden Regierungen haben nun reagiert – und wie! «Mehr als 72'000 Kinder und Jugendliche erhalten in Zukunft dank der SP neu eine Prä­mienverbilligung», sagt die sozialdemokratische Nationalrätin Nadine Masshardt (34) aus Bern. Dies habe eine aktuelle Umfrage der Partei bei den verschiedenen Kantonen ergeben.

Am grössten ist die Veränderung in Zürich. Im März gab der Regierungsrat bekannt, die Einkommensgrenze von 53'800 auf 62'900 Franken anzuheben. Davon würden 44'000 Kinder profitieren. Der Regierungsrat trage damit dem Grundsatzentscheid des Bundesgerichts im «Fall ­Luzern» Rechnung, hiess es von offizieller Stelle.

Aber auch in Bern (13'000 Kinder), Luzern (7800), Appenzell Ausserrhoden (1000), Neuenburg (2600) und Wallis (3200) müssen Eltern in Zukunft weniger für die Krankenkasse aufwenden. Die jüngste Reaktion auf das Verdikt aus Lausanne kommunizierte vorgestern Freitag Appenzell Innerrhoden.

Steuerzahler kommen für Vergünstigungen auf

Mehr Entlastungen für Familien bedeutet jedoch auch, dass andere dieses Geld bezahlen müssen. Mit anderen Worten: Für die neuen Vergünstigungen kommen die Steuerzahler auf.

Für die SP ist der erreichte Erfolg aber bloss ein Etappenziel. Am 26. Februar lancierte die Partei ihre Prämienentlastungs-Initiative. Ihr Ziel: In der Schweiz soll niemand mehr als 10 Prozent des verfügbaren Einkommens für Krankenkassenprämien aufwenden müssen. Das ­Anliegen entwickelt sich für die Genossen zu einem Schlager im Wahljahr. Die SP hat dafür nach ­eigenen Angaben bereits 55'000 Unterschriften zusammen – mehr als die Hälfte der notwendigen 100'000.

Nadine Masshardt, die auch den Nationalratswahlkampf der SP leitet, zeigt sich zufrieden: «Das hohe Tempo der Unterschriftensammlung zeigt, dass die SP mit ihrer Prämienentlastungs-Initiative richtig liegt und einen Nerv der Bevölkerung trifft: «Die hohen Prämien stellen ein echtes Problem für viele Menschen in der Schweiz dar.» Die Bevölkerung habe «das rechtsbürgerliche Lobby-Parlament» satt, das sämtliche kostendämpfenden Massnahmen im Gesundheitsbereich blockiere.

In der Tat ist das Tempo in der ansonsten extrem trägen Gesundheitspolitik erstaunlich: Es kann also durchaus vorwärtsgehen in unserem Land, wenn man nur 
will ...

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