Nach 26 Jahren in der Lausanner Stadtregierung hört Daniel Brélaz (66) auf
Shrek lässt nach

Er liebt Katzen. Er hat sein Gewicht halbiert. Und er hat seine Stadt umgebaut. 26 Jahre sass der gutmütige Hühne Daniel Brélaz (Grüne) in der Lausanner Stadtregierung. Morgen räumt er sein Büro.
Publiziert: 29.06.2016 um 20:51 Uhr
|
Aktualisiert: 13.10.2018 um 14:13 Uhr
1/6
Ein Grüner gibt Gas: Brélaz auf der Kartbahn in Payerne.
Foto: Rouge TV
Christoph Lenz

Die Satirezeitschrift «Vigousse» nennt ihn Shrek. Nach dem modernen Märchenwesen aus dem gleichnamigen Comicfilm: hünenhaft, etwas unkultiviert, aber gut­mütig, zudem grün von Kopf bis Fuss. Shrek, der Schrat, erlebt Abenteuer, am Ende heiratet er die schöne Prinzessin.

Daniel Brélaz (66, Grüne) lässt seine 1,90 Meter Länge und aktuell 127 Kilo in einen Sessel sinken. Für diesen rustikalen Koloss nähert sich das Ende. Nach 26 Jahren in der Stadtregierung von Lausanne, 15 davon als Stadtpräsident, hat er morgen seinen letzten Arbeitstag in der Municipalité. Auf Brélaz wartet keine Prinzessinnenhochzeit, sondern der Ruhestand. Wehmut empfinde er nicht, sagt Brélaz. «Ich hatte fünf Jahre Zeit, mich auf meinen Abschied vorzubereiten. Das hat gereicht.»

Brélaz kennt man diesseits des Röstigrabens als Jo-Jo-Politiker

Diesseits des Röstigrabens kennt man ihn, der 1979 als erster Grüner weltweit in ein nationales Parlament gewählt wurde, vorab aus zwei Gründen. Erstens als Jo-Jo-Politiker. Gegen 180 Kilo wog Brélaz einst. Dann verzichtete er 2013 auf Kohlenhydrate und Zucker und speckte in zehn Monaten rund 90 Kilo ab. Erst als sich die Lausanner Sorgen um seine Gesundheit machten, stellte er die Diät ein.

«Ich fühlte mich so gut wie nie zuvor», erzählt Brélaz. «Aber ich sah aus wie ein 80-Jähriger. Das liess die Leute zweifeln. Hat Brélaz noch den nötigen Biss für die Politik? Da habe ich mich entschieden, wieder etwas zuzulegen.»

Der zweite Grund für seine Bekanntheit: seine Katzenkrawatten. Auch zu unserem Gespräch hat er sich eine umgebunden. Sujet: Eine Katze frisst eine Computermaus. Dieses Exemplar habe er jeweils zu Budgetsitzungen mit der städtischen IT-Abteilung getragen, erzählt Daniel Brélaz. Einschüchterung à la Shrek.

Gute Jahre für die Stadt Lausanne

So viel zum drolligen Stadtmaskottchen Brélaz. Daneben gibt es auch den Baumeister Brélaz: Als er 2001 das Stadtpräsidium übernimmt, wird die Region Genfersee von einem Boom erfasst. Dessen Bewältigung ist die Hauptaufgabe des ausgebildeten Mathematikers. Die Stadt investiert massiv. In die Infrastruktur, aber auch in die Software. Lausanne gilt heute als Party-Hauptstadt der Westschweiz. «Wir rennen dem Boom immer noch hinterher», sagt Brélaz. Aber insgesamt seien es «gute Jahre» gewesen für die Stadt.

Gute Jahre – es ist eine Untertreibung. In den 90ern prägten Arbeitslosigkeit, Drogen, Kriminalität und eine leere Stadtkasse den Alltag. Heute hingegen: solide Finanzen, weltoffenes Flair, intakte Natur, florierende Science-Industrie, exzellente Bildungsstätten und – dank gelenktem Immobilienmarkt – erschwingliche Mieten.

Lausanne gewann das Vertrauen der Investoren zurück

Daniel Brélaz und seine sozialistisch dominierte Stadtregierung haben ein links-grünes Utopia er­schaffen.
Treibstoff dieser Entwicklung: die Milliarden der Multis, die sich im steuergünstigen Genferseebecken niedergelassen haben. Globalisierungskritische Linke erfüllen sich ihren Traum mit der Kohle der bösen Konzerne – ein Widerspruch? Für Brélaz: Unsinn. Die Steuererträge durch Firmen machten nur einen Bruchteil des Stadtbudgets aus. Wichtiger sei gewesen, dass die Stadt das Vertrauen von Investoren habe zurückgewinnen können. «Das war ein Schlüsselmoment.»

Wenn er sein Büro im Stadthaus räumt, zieht er sich nicht ganz zurück. Vorderhand will er im Nationalrat weiterpolitisieren. Sein Ziel: «Die Energiewende.» Die Geschichte vom Lausanner Shrek geht weiter. Fortsetzung folgt.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?