Mit Kameras gegen Chaoten
Darf das die Fussball-Liga überhaupt?

Die Swiss Football League (SFL) will gewalttätige Fans bei Fussballspielen besser identifizieren und sanktionieren können. Ins Visier kommen vor allem die Auswärtsfans. Neu setzt die SFL bei Risiko-Spielen Kamerateams ein, die auch ausserhalb des Stadions filmen.
Publiziert: 05.05.2015 um 16:38 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 22:48 Uhr

Das Projekt «Focus One» wurde bereits Mitte März lanciert, jedoch erst am Dienstag an einer Medienkonferenz der Fussballliga in Bern bekannt gemacht. Damit wollte die Verantwortlichen den Vorwürfen entgegentreten, sie täten zu wenig, um Gewalt in und rund um die Stadien zu verhindern, wie SFL-CEO Claudius Schäfer sagte.

Die Kamerateams einer von der Liga beauftragten Privatfirma kamen seither an sieben Meisterschafts- und Cupspielen zum Einsatz - sofern die lokalen Behörden dazu grünes Licht erteilten. Auf öffentlichem Grund wurden laut Schäfer bisher keine Gewaltakte festgehalten.

Hingegen konnten dank «Focus One» mehrere Vorfälle innerhalb des Stadions dokumentiert werden. Daraus resultierten 35 Berichte, die an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet wurden. Allein 26 Dossiers beziehen sich auf das Spiel vom 12. April des FC Basel gegen den FC Zürich, als es im St. Jakob-Park zu gewalttätigen Ausschreitungen kam.

Das vorläufig befristete Projekt soll Ende der laufenden Saison ausgewertet werden. Die Pilotphase kostet die SFL insgesamt 100'000 Franken. Ob das Projekt weitergeführt wird, hängt nicht zuletzt davon ab, wie die Strafverfolgungsbehörden das Vorgehen beurteilen.

Die bisherigen Rückmeldungen zeigen laut Schäfer ein uneinheitliches Bild. Unterschiedliche Einschätzungen gebe es insbesondere zur Frage, ob das verdeckte Filmen durch Private auf öffentlichem Grund einer Bewilligungspflicht unterliege und wer dafür zuständig wäre.

Umstritten ist aus rechtlicher Sicht auch, ob entsprechende Bilder als Beweismaterial vor Gericht überhaupt verwertbar wären. Die Swiss Football League hat dazu ein Rechtsgutachten eingeholt und sich vom eidgenössischen Datenschützer beraten lassen. Dies führte laut Schäfer zu restriktiven Vorgaben für die Filmteams.

So kämen die Kameras nur bei Spielen «mit hohem Gefahrenpotenzial» und nur nach Rücksprache mit den Behörden zum Einsatz. Gefilmt und fotografiert werden dürfen nur Ausschreitungen und Gewaltakte, also keine friedlichen Fanmärsche. Weiter hätten nur wenige Personen Zugriff auf das Bildmaterial, und dieses dürfe «nicht länger als nötig» aufbewahrt werden.

«Wenn Private heimlich Videoaufnahmen von Personen machen, ist dies grundsätzlich heikel», hält der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) in einer Stellungahme fest. Zulässig könne dies etwa dann sein, wenn es um die Aufklärung schwerer Gewaltdelikte gehe und das Ziel nicht mit milderen Mitteln erreicht werden könne. Betroffene hätten die Möglichkeit, zivilrechtlich gegen aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Aufnahmen vorzugehen.

Eine gute Videoüberwachung sei ein geeignetes Mittel, um fehlbaren Matchbesucherinnen und Matchbesuchern Straftaten nachzuweisen oder sie gar präventiv von solchen abhalten zu können, heisst es in einer Stellungnahme des FC Zürich. Es liege im eigenen Interesse, dass Täter gezielt verfolgt und bestraft würden und nicht ganze Gruppen unter Einzelnen zu leiden hätten.

Die Liga will zudem die Videoüberwachung in den Stadien überprüfen und verbessern, um die Täter im Stadion konsequenter zu verfolgen. Dies ist eine von vier Massnahmen, welche die Arbeitsgruppe Sicherheit vorschlägt, in der nebst den Klubs und deren Fanarbeit auch die Strafverfolgungsbehörden vertreten sind.

Weitere Massnahmen betreffen die bessere Verankerung von Sicherheits- und Fanverantwortlichen in den Klubs sowie die schweizweite Harmonisierung der Stadionverbote. Bislang wurden insgesamt 700 Stadionverbote ausgesprochen.

Nebst mehr Repression setzt die Fussballliga unter dem Motto «Good Hosting» auf einen entspannten Empfang der Auswärtsfans im Gästesektor. (SDA)

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