Mieter-Initiative sorgt für Knatsch unter Vermietern
Baugenossenschafter liegen sich in den Haaren

Die Wohnbau-Initiative des Mieterverbands sorgt für Knatsch. Der politisch bürgerlich orientierte Verband Wohnen Schweiz verweigert ihr den Support. Er baut stattdessen auf die bereits beschlossene Aufstockung der Wohnbauförderung.
Publiziert: 07.01.2020 um 09:18 Uhr
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Aktualisiert: 15.01.2020 um 08:43 Uhr
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Im Oktober 2016 wurde die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» eingereicht.
Foto: Keystone
Ruedi Studer

Die Wohnbau-Initiative des Mieterverbands hat ein klares Ziel: Mindestens jede zehnte Neubauwohnung soll künftig von gemeinnützigen Bauherren erstellt werden. Die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen», über die das Stimmvolk am 9. Februar befindet, ermöglicht es vor allem den Baugenossenschaften, ihren Mietern preisgünstigere Wohnungen anzubieten.

Kein Wunder also, stösst das Anliegen bei vielen Baugenossenschaften auf Zustimmung. Das Volksbegehren würde ihrer Bautätigkeit mit verschiedenen Mitteln den Weg ebnen.

Wohnen Schweiz schert aus

Doch ein gewichtiger Player schert aus: Der politisch bürgerlich orientierte Verband Wohnen Schweiz verweigert der Mieter-Initiative den Support. Der Knackpunkt: Das Parlament stellt dem Volksbegehren einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Mit diesem wird der sogenannte Fonds de Roulement um 250 Millionen Franken aufgestockt – aber nur, wenn die Initiative abgelehnt wird.

Über den Fonds vergibt der Bund günstige Kredite an gemeinnützige Wohnbauträger. Heute ist der Fonds mit rund 500 Millionen Franken dotiert – und gut 1500 Wohnungen werden jährlich darüber gefördert.

Aufstockung nicht gefährden

«Die Aufstockung wäre bei einem Ja hinfällig», sagt Wohnen-Schweiz-Präsident Daniel Burri (57). Sein Verband habe aber gerade bei bürgerlichen Parlamentariern viel Überzeugungsarbeit für die zusätzlichen Mittel geleistet. «Das Resultat wollen wir nun nicht gefährden, deshalb unterstützen wir die Initiative nicht.»

Beim alt Nationalrat Louis Schelbert (67) sorgt dieses Argument für Kopfschütteln. Der Grüne präsidiert den Verband Wohnbaugenossenschaften Schweiz und kämpft für die Initiative. Schelbert ist sich bewusst, dass die beschlossene Aufstockung bei einem Ja dahinfällt.

«Aber nur vorerst!», ist er überzeugt. «Bei der Umsetzung der Initiative kommt die Aufstockung wieder auf die Traktandenliste – und dann dürften sogar mehr Mittel in den Fonds fliessen.» Dann dürfte ein Betrag gegen 400 Millionen Franken zum Thema werden. «Der Bund macht mit den rückzahlbaren Darlehen sogar ein Geschäft.»

Burri: «Zu starr»

Auch Burri würde sich nicht gegen den zusätzlichen Geldsegen wehren. «Ob tatsächlich mehr Geld in den Fonds fliessen würde und wie viel, ist unsicher und müsste neu verhandelt werden», warnt er. «Uns ist der Spatz in der Hand lieber als die Taube auf dem Dach.»

Doch noch ein weiterer Punkt stört die bürgerlichen Baugenossenschafter; die schweizweite Mindestquote von 10 Prozent. «Die Quote ist starr und planwirtschaftlich», moniert der Wohnen-Schweiz-Präsident. Man dürfe nicht alle Kantone über den gleichen Kamm scheren. «Eine fixe Quote von Biasca bis Schaffhausen oder von Neuenburg bis Sedrun macht keinen Sinn.» In der Stadt Luzern beispielsweise liege die Quote heute bereits bei 13,4 Prozent.

Die Wohnbauförderung muss laut Burri primär auf lokaler Ebene diskutiert werden, sonst baue man an den Bedürfnissen vorbei. «Wo heute keine Baugenossenschaften bestehen, muss sogar der Staat die Bagger auffahren lassen», sagt er.

Schelbert: «Die Quote gilt schweizweit»

Louis Schelbert hält dagegen: «Zehn Prozent gemeinnützigen Wohnungen stehen dann 90 Prozent andere gegenüber. Das ist sicher nicht zu viel!» Heute liegt der Anteil bei knapp 4 Prozent. «Es geht also bloss um eine Verdoppelung», so der alt Nationalrat. Insgesamt um etwa 4000 bis 5000 Neuwohnungen pro Jahr.

Wo diese gebaut würden, könne mit der Umsetzung der Initiative gesteuert werden. «Die Quote muss schweizweit erfüllt werden – und nicht überall lokal. Wir wollen vor allem dort bauen, wo es an bezahlbarem Wohnraum fehlt.»

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