Mattea Meyer vs. Philippe Nantermod
Soll die Nationalbank unsere Renten retten?

SVP und SP wollen, dass das Geld, das die Nationalbank SNB mit Negativzinsen verdient, der AHV zugutekommt. FDP-Vizepräsident Philippe Nantermod ist entsetzt. Im zweiten Blick-Pong streitet er darüber mit SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer.
Publiziert: 21.06.2021 um 14:20 Uhr
Mattea Meyer ist Co-Präsidentin der SP Schweiz.
Foto: Valeriano Di Domenico
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Sermîn Faki et Adrien Schnarrenberger

Ah, die Milliarden der SNB! Sie sind immer wieder eine Quelle des Neides. Jedes Mal, wenn Geld gesucht wird, sind sie der Joker der Politiker. Sie wurden während der Covid-Krise erwähnt und liegen auch jetzt wieder auf dem Tisch für die Finanzierung der AHV.

Dieses Mal scheint das Sparschwein endgültig geplatzt zu sein: Eine Allianz aus Linken und SVP fordert, die Gewinne aus den Negativzinsen zur Finanzierung unserer Renten zu verwenden – und fand im Nationalrat eine Mehrheit.

Eine Entscheidung, die Ökonomen ratlos macht und den Blick-Pong-Duellanten Philippe Nantermod zusammenzucken lässt. Der FDP-Vizepräsident nahm kein Blatt vor den Mund und meinte, der Nationalrat habe «die Finger ins Konfiglas gesteckt», eine Sünde, deren Folgen nur allzu bekannt seien.

Was sind das denn für Folgen, Herr Nantermod?

Fragen Sie die Argentinier oder die Deutschen der Weimarer Republik! Es ist verlockend, einfach Geld bei der Nationalbank abzuheben. Es ist leicht verdientes Geld, so leicht, dass es aussieht, als sei es kostenlos. Aber das ist eine Illusion: Wenn Politiker den Zentralbanken vorschreiben, wie sie arbeiten sollen, endet das immer schlecht. Inflation, monetäre Destabilisierung, Staatsbankrott. Die Nationalbank kann nicht gleichzeitig ihre Stabilitätsziele und eine Fiskalpolitik verfolgen. Am Ende muss jemand die Rechnung bezahlen. Geld von der SNB zur AHV zu transferieren, ist wie Zauberlehrling spielen.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) steht im Dienst der Schweizer Bevölkerung. Ihr Vermögen ist unser Volksvermögen. Die SNB macht seit Jahren Milliardengewinne mit Negativzinsen. Das ist ausserordentlich. Und das bezahlt jemand: Die KMU und die Bevölkerung via Sparkonto und Pensionskassen. Ihnen wird seit Jahren diese indirekte Steuer aufgebürdet. Doch dieses Geld muss zurück zu den Menschen. Dafür gibt es keinen besseren und nachhaltigeren Ort als die AHV. 👍👨🏼🦳👵🏻

Negativzinsen schützen die Exportwirtschaft vor einem zu starken Franken. Aber sie sind auch Gift für die übrige Wirtschaft und die Pensionskassen. Und trotzdem schlägst du vor, dass die AHV von diesem Gift leben soll. Was machst du in der Zukunft, um uns aus den Negativzinsen herauszuholen, wenn diese deine politischen Pläne finanzieren? Nichts. Denn man beisst nicht die Hand, die einen füttert: Mit der Idee, Geld von der Nationalbank zu holen, bringst du uns Teufels Küche!

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Du malst den Teufel an die Wand! Es gibt bereits zweckgebundene Ausschüttungen an Bund und Kantone. Niemand sagt, das greife den Handlungsspielraum und die Unabhängigkeit der SNB an. Die Negativzinsen der SNB belaufen sich seit 2015 auf über 12 Milliarden Franken! Das ist mehr Geld, als mit dem geplanten Rentenabbau bei den Frauen bis 2030 eingespart werden kann. Verfolgst du den teuflischen Plan, die AHV finanziell nicht zu stabilisieren, damit die FDP Druck auf eine Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre machen kann?

Die Ausschüttungen an Bund und Kantone sind nicht zweckgebunden, das ist etwas ganz anderes. Und die bekommen wir nicht, denn sie sind in einem Vertrag geregelt. Die SNB verwaltet ihre eigenen Budgets und wird selbständig entscheiden, was sie mit ihren Gewinnen, einschliesslich der Erträge aus den Negativzinsen, macht.

Wahrscheinlich wird dieses Geld irgendwann in der Bundeskasse landen. Wir können dann entscheiden, es für die AHV zu verwenden, so wie wir es mit dem Gold zu Beginn des Jahrhunderts getan haben. Aber du kannst der SNB nicht in die Tasche fassen und dann so tun, als ob du sie unabhängig lässt. Auch wenn man damit der eigentlichen Grundsatzdebatte ausweicht: Wie sollen die Renten finanziert werden, wenn die Lebenserwartung ständig steigt?

Es lohnt sich, das Nationalbankgesetz zu kennen. Es erlaubt der SNB, Währungsreserven zu machen, und schreibt vor, wie der verbleibende Gewinn verteilt wird. Der Bund und die SNB vereinbaren die Höhe der Gewinnausschüttung. Eine Verwendung der Negativzinsen für die AHV wäre nichts anderes.

Es lohnt sich übrigens auch, die Bundesverfassung zu lesen. 📖 Darin steht seit über 50 Jahren, dass die AHV existenzsichernd sein soll. Das ist sie aber nicht. Darum braucht es einen Ausbau und sicher keinen Abbau, wie du ihn vorschlägst.

Der Verfassungsauftrag wird mit dem 3-Säulen-Modell und den Ergänzungsleistungen erfüllt. Wir haben also eine gezielte Sozialpolitik ohne «Zaubergeld».

Und das SNB-Gesetz? Darin ist genau die Unabhängigkeit der Bank geregelt. Du willst wirklich beide Hände ins Konfiglas, die Bankbilanz, stecken. Ihr wollt euch selbst bedienen, ohne die SNB überhaupt zu fragen. Ohne euch Gedanken darüber zu machen, ob es für die Geldpolitik der Schweiz von Nutzen und mit den Aufgaben der SNB vereinbar ist. Das ist ernst.

Wie sagt man auf Englisch: «There ain't no such thing as a free lunch.» Was du heute für kostenlos hältst, wird uns eines Tages teuer zu stehen kommen. Und die, die es in solchen Situationen mit Gelddrucken versucht haben, haben am Ende immer ihr letztes Hemd verloren.

Zweite Säule? Dritte Säule?!? Kennst du die Realität der Menschen in diesem Land? Jede vierte Frau bekommt im Alter nur die AHV. Das treibt sie in die Armut. Wer ein Leben lang arbeitet, soll von der Rente leben können. Und nicht auf Ergänzungsleistungen angewiesen sein.

Übrigens: Zu tiefe Renten heisst auch tiefere Kaufkraft. Es macht volkswirtschaftlich viel mehr Sinn, anständige Renten zu zahlen, damit Rentner*innen zum Beispiel mit Enkelkindern ins Kino gehen können. Es ist Unsinn, wenn die SNB mit Negativzinsen ihren Gewinn erhöht und auf über 100 Milliarden Franken Ausschüttungsreserven sitzt. Oder wie man in den USA sagt: «It’s the economy, stupid.»

Es ist bekannt, dass die Linke unser grossartiges Drei-Säulen-System verachtet. Wie du selbst sagst, kann sich die Mehrheit der Bürger, auch die Frauen, darauf verlassen. Aber darum geht es hier nicht. Es geht um das Geld der SNB, an das du ranwillst.

Ich bin vielleicht ein bisschen dumm in wirtschaftlichen Dingen, wie du sagst. Aber im Gegensatz zu dir tue ich nicht so, als würde ich die Nationalbank leiten. Ich vertraue lieber den Profis, die bisher die Grundlagen unserer Finanzpolitik garantiert haben. Mit Erfolg, wie mir scheint.

Du lebst vielleicht nicht in Teufels Küche, aber dafür in einer Traumwelt. Die Hälfte aller Frauen erhält im Rentenalter weniger als 3000 Franken, erste und zweite Säule zusammen.

Es bestreitet niemand, dass die SNB unabhängig über ihre Währungs- und Finanzpolitik zum Wohl der Bevölkerung entscheiden soll. Die Situation der jahrelangen Negativzinsen hat der Nationalbank ausserordentliche Gewinne beschert, auf die sie nicht angewiesen ist.

Für eine Gewinnverwendung gibt es ein Vorbild aus der Vergangenheit: Ein Teil der Goldreserven der SNB wurde als Zusatzfinanzierung in die AHV gezahlt. Und auch heute ist ein solcher Gewinn in der AHV am besten eingesetzt, weil alle davon profitieren.

Das ist der Blick-Pong

Deutschschweiz und Romandie ticken einfach anders – auch in der Politik. Wie sehr, zeigt sich im neuen Format Blick-Pong.

Dabei duellieren sich je zwei Politiker über den Röstigraben hinweg – und zwar per Whatsapp. Das Thema wird von der Blick-Redaktion vorgegeben und dann geht es los. Ist fertig gestritten, wird der Chat veröffentlicht.

Für den Blick-Pong werden sich im Wochenwechsel folgende Duos schreiben:

  • SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (33, ZH) vs. FDP-Vizepräsident Philippe Nantermod (37, VS)
  • Mitte-Nationalrat Martin Candinas (40, GR) vs. die grüne Nationalrätin Léonore Porchet (31, VD)

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