Die Aufarbeitung der Luzerner Internet-Affäre hat erst begonnen. Der Tenor bei den Parlamentariern: Das Ausmass an privatem Surfen am Arbeitsplatz überrascht – und soll untersucht werden.
Die Regierung muss am Dienstag im Kantonsrat dringliche Vorstösse von drei Parteien beantworten. Besonders verärgert sind die Mitglieder der Aufsichtskommission. Sie mussten aus dem SonntagsBlick von Problemen in der Verwaltung erfahren.
Kommissionsmitglied Guido Müller (57, SVP): «Wir werden immer nur informiert, wenn die Medien bereits berichtet haben.» Müller spricht von «mangelhafter Zusammenarbeit».
Mit einer externen Administrativuntersuchung will der Regierungsrat die Vorfälle aufarbeiten. Dabei versuchen Regierung und Parteien, die Schuld auf den parteilosen Finanzdirektor Marcel Schwerzmann (50) zu schieben. Er habe zu lange nicht gehandelt und die Kollegen nicht informiert.
«Ein Bauernopfer», kommentiert ein bürgerlicher Kantonsrat. Fakt ist: Trotz alarmierender Internet-Analysen 2009 und 2010 hat die Verwaltung erst 2014 Porno-Adressen und kritische Seiten sperren lassen – obwohl eine Lösung schon 2010 bereitstand, wie die NLZ berichtete.
Dabei hatte der Bericht deutlich auf ernste Risiken hingewiesen. Trotzdem wartete die Regierung vier Jahre. In dieser Zeit haben Luzerner Staatsangestellte hochgerechnet 128000-mal mit Viren verseuchte Seiten aufgerufen.
Die Kosten der privaten Surferei gehen in die Millionen. Die SVP spricht von 14,3 Millionen Franken pro Jahr. Eine Analyse des Rechnungshofs in Berlin berechnete 2007 einen jährlichen Schaden von 47 Millionen Franken für das Land Berlin – dieser Verlust entstehe durch unnötige Belastung der Infrastruktur und unproduktive Stunden.
Dabei erstaunt, dass Kantonsmitarbeiter überhaupt Zeit haben, privat zu surfen. Ein interner Kontrollbericht zeigt, dass sich die Überstunden in der Verwaltung häufen. Der Bericht der Finanzkontrolle zeigt hohe Zahlen quer durch die Verwaltung:
Dienststelle Informatik:
58 Mitarbeiter mit Gleitzeitsaldo von mehr als 100 Stunden.
Kantonsschule Seetal:
Mitarbeiter mit einem Saldo von 94 bis 352 Überstunden.
Zentralbibliothek:
Gesamthaft über 2000 Überstunden (243 Tage).
Dienststelle Umwelt und Energie:
Mitarbeiter mit mehr als 200 Überstunden.
Naturmuseum:
Mitarbeiter mit mehr als 100 Überstunden.
Im Sekretariat des Justizdepartements hat ein Angestellter 283 Überstunden angesammelt, umgerechnet 33 Tage. Den Rekordhalter stellt aber die Polizei. Ein Beamter hat 496,6 Überstunden auf dem Konto.
Dabei dürfte es gemäss Gesetz eigentlich gar keine Überstunden geben. Diese gilt es zu kompensieren. Oberstes Maximum: 75 Überstunden. In vielen Dienststellen hält sich die Verwaltung nicht daran.
Die Finanzkontrolle spricht in ihrem Bericht von «internen Regelungen», die nicht mit dem Personalrecht übereinstimmten.
Privat surfen und Überstunden bolzen: Besteht da ein Zusammenhang? Erwin Arnold (63, CVP), Präsident der Finanzkommission: «Das ist völlig offen. Es gilt den Einzelfall zu klären. Aus Sicht der Planungs- und Finanzkommission wollen wir aber Klarheit bekommen.»
Nadia Furrer (36, SVP), die Präsidentin der Aufsichtskommission, will die internen Zahlen nicht kommentieren. Nur so viel: «Es ist ein Thema in der Kommission.»