1. Endlich Lohngleichheit!
Unter gleichen Bedingungen verdienen Frauen 7,7 Prozent weniger als Männer. Das heisst: Diesen unerklärten Lohnunterschied kann man nicht durch weniger Erfahrung, ein tieferes Ausbildungsniveau, Teilzeit oder einen anderen äusseren Grund erklären. In der Privatwirtschaft ist die Lohndiskriminierung mit 8,1 Prozent höher als im öffentlichen Sektor mit 5,9 Prozent.
Ohne die Gegebenheiten zu berücksichtigen, liegt der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern in Privatfirmen bei 19,6 Prozent. Das einfachste Mittel, um die Lohnkluft zu überbrücken, wäre Lohntransparenz. Die USA, wo die meisten Löhne offengelegt werden, belegen auf dem Lohngleichheitsindex des Weltwirtschaftsforums Platz 8, die Schweiz liegt auf Rang 44.
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Mit der Lohngleichheitsanalyse des Bundes haben etliche Firmen freiwillig Lohndiskriminierungen verringert. Aber zu langsam. Geht es in diesem Tempo weiter, braucht es weitere 68 Jahre, um die Kluft zu schliessen. Doch die Politik will vorwärts machen: Das neue Gleichstellungsgesetz verpflichtet Firmen mit 100 und mehr Angestellten, die Lohngleichheit zwischen Mann und Frau zu prüfen. Dies betrifft rund 43 Prozent aller Beschäftigten in der Schweiz.
2. Endlich strengere Gesetze gegen Gewalt an Frauen!
Jede fünfte Frau in der Schweiz ist schon einmal Opfer sexueller Gewalt geworden, mehr als jede Zehnte hatte Sex gegen ihren Willen. Das hat jüngst eine repräsentative Umfrage im Auftrag von Amnesty International ergeben.
Die Zahlen schreckten auf. Erst diese Woche haben Parlamentarierinnen aller Parteien ausser der SVP mit einer koordinierten Aktion den Bund dazu aufgefordert, endlich entschieden zu handeln. Sei das, indem überhaupt erst verlässliche Daten erhoben werden, sei es durch stärkere Prävention und mehr Opferschutz. Die Schweiz hat zwar 2017 die Istanbul-Konvention ratifiziert und sich damit verpflichtet, Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu bekämpfen. Viel passiert ist seither allerdings nicht. So gibt es noch immer zu wenig Plätze in Frauenhäusern.
Eine zentrale Forderung ist zudem, dass Vergewaltigung strafrechtlich neu definiert wird. Heute besteht eine Vergewaltigung nur dann, wenn die Frau gewaltsam zu Sex genötigt wird. Nein sagen reicht nicht. Im Gegensatz zu anderen Forderungen ist die Anpassung des Sexualstrafrechts in absehbarer Zeit allerdings eher unwahrscheinlich. Denn eine Reform ist bereits in Arbeit – ohne diese Änderung.
3. Endlich ein umfassender Kündigungsschutz für Schwangere und junge Mütter!
Das Gleichstellungsgesetz sieht vor, dass Arbeitnehmerinnen wegen einer Schwangerschaft weder direkt noch indirekt benachteiligt werden. Zwar gilt während der Schwangerschaft und 16 Wochen nach der Geburt ein Kündigungsschutz. Doch gemäss den Gleichstellungsbüros kommt es sehr oft vor, dass Arbeitgeber bereits zu Beginn der Schwangerschaft versuchen, Frauen zur Kündigung zu drängen – weil man ihnen während der Schwangerschaft keine angepasste Arbeit anbieten könne. Eine weitere Unsitte: Arbeitgeber kündigen Müttern am erstmöglichen Termin nach dem Mutterschaftsschutz – also dem ersten Arbeitstag nach der Geburt.
Solchen Diskriminierungen würde ein umfassender Kündigungsschutz entgegenwirken. In Italien besteht etwa im ersten Lebensjahr des Kindes ein Kündigungsschutz. In Deutschland haben Mütter und Väter Anspruch auf Teilzeitarbeit nach der Elternzeit sowie eine Arbeitsplatzgarantie.
Davon können Schweizerinnen nur träumen: Da es hierzulande keine breite Abstützung für einen umfassenden Kündigungsschutz gibt, werden wohl auch Mädchen, die rund um den Frauenstreik 2019 geboren werden, als Erwachsene dafür kämpfen müssen.
4. Endlich mehr Anerkennung für Frauenberufe!
Viele Frauen arbeiten in «typischen Frauenberufen», in der Betreuung von Kindern, in der Reinigung oder in der Pflege. Wichtige Arbeit, die aber unterbezahlt ist. Oft reichen die Löhne nicht aus, um damit zu überleben.
Die Frauen, zu einem kleineren Teil sind es auch Männer, büssen ihr Leben lang: Die durchschnittlichen Pensionskassenrenten fallen für Frauen mit rund 19'000 Franken pro Jahr nur halb so hoch aus wie die der Männer mit etwa 36'000 Franken.
Hinzu kommt, dass Frauen häufiger Teilzeit arbeiten. Auch das bringt ihnen in der Pensionskasse Nachteile.
Das muss sich ändern! Frauenberufe müssen gleich gut entlöhnt werden. Auch die Nachteile in der zweiten Säule müssen behoben werden. Zum Teil ist das geplant. Der sogenannte fixe Koordinationsabzug, der dazu dient, den bei der Pensionskasse versicherte Lohn zu bestimmen, soll angepasst werden.
5. Endlich ein fairer Ausgleich für Care-Arbeit!
Sie ist unverzichtbar: Betreuungs-, Pflege- und Hausarbeit. Rund 20 Prozent aller in der Schweiz geleisteten Arbeit ist sogenannte Care-Arbeit, zu einem grossen Teil auch unbezahlt.
Doch Frauen – ja, es sind meistens Frauen –, die ihre pflegebedürftigen Eltern betreuen oder Kinder hüten, erweisen sich damit selbst einen Bärendienst. Sie haben beispielsweise geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, weil ihre Qualifikationen nicht anerkannt werden. Wer pflegt und betreut, ist zudem sozial weniger gut abgesichert. Hier braucht es Verbesserungen, meint sogar der Bund.
Verschiedene Massnahmen können Abhilfe schaffen: Wichtig wäre es, die Vereinbarkeit von unbezahlter Care-Arbeit und Beruf durch flexible Arbeitszeiten zu fördern. Und es braucht Regeln für die Betreuung kranker und pflegebedürftiger Angehöriger. Ein solches Pflegezeitgesetz gibt es zum Beispiel in Deutschland. Wer dort seine Angehörigen pflegt, geniesst während dieser Zeit einen besonderen Kündigungsschutz. Zudem braucht es steuerliche Vergünstigungen und soziale Absicherung für Care-Arbeiterinnen. Eine Hexerei ist das nicht.
6. Endlich mehr Chefinnen!
Der Frauenanteil in den Geschäftsleitungen der 117 grössten Schweizer Unternehmen lag letztes Jahr bei neun Prozent. Von Konzern-CEOs sind gar nur 2,7 Prozent weiblich. In 51 Prozent der Geschäftsleitungen sass keine Frau. In den Verwaltungsräten liegt der Frauenanteil bei 21 Prozent.
Bei Pharmafirmen ist der Frauenanteil im Topmanagement am höchsten. Die Branche hat gemerkt, dass sich Führungsfrauen auszahlen. Schliesslich fällen Frauen über die Hälfte der Kaufentscheide. Dokumentiert ist auch, dass Firmen mit höheren Frauenanteilen in der Führung nachhaltigere Entscheide treffen und die Börsenperformance verbessern.
Vermögensverwalter wie Blackrock und immer mehr Pensionskassen wollen deshalb nicht mehr in Firmen investieren, in denen Frauen untervertreten sind.
Wenn die Frauenanteile in Schweizer Geschäftsleitungen im bisherigen Tempo steigen, wird der Anteil bis 2022 erst bei 12 Prozent liegen.
Inzwischen zeigen sich auch einst vehemente Gegnerinnen offen für vorübergehende Frauenquoten. Was Quoten bewegen, zeigt sich bei den Schweizer Bundesbetrieben. Der Bundesrat legte im Jahr 2013 bis 2020 einen Zielwert von mindestens 30 Prozent Frauen in Verwaltungsräten der 26 bundesnahen Betriebe fest. Hatten 2014 noch 16 Betriebe Nachholbedarf, erfüllten 2018 bereits über die Hälfte die Quoten.
7. Endlich mehr bezahlbare Kita-Plätze!
Die Schweiz hat das teuerste Kinderbetreuungssystem der Welt: Zu dieser ernüchternden Erkenntnis gelangt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in einer umfassenden Untersuchung. Um zwei Kinder fremdbetreuen zu lassen, berappen Schweizerinnen und Schweizer nämlich mit bis zu 70 Prozent eines Netto-Durchschnittlohns; also 54'000 Franken. Zum Vergleich: Der EU-Durchschnitt liegt bei 27 Prozent, am besten steht Österreich mit fünf Prozent Kinderbetreuungskosten da.
Das heisst: Kita-Plätze müssen für den Mittelstand bezahlbarer werden. Es kann nicht sein, dass eine Mutter oder ein Vater mit einem 80-Prozent-Pensum gerade mal die Fremdbetreuung der Kinder und die Steuern begleichen kann.
Erst wenn die Kinderfremdbetreuung selbstverständlich ist, erhöhen wir die Beschäftigungsquote von Frauen. Darum braucht es eine gesamtschweizerische, radikale Lösung: kostenlose, staatlich garantierte Kita-Plätze. Schulen werden von der Allgemeinheit finanziert, wieso Kita-Plätze nicht im gleichen Mass?
Realistisch ist solch ein Kita-Modell nicht: Kritiker fürchten eine Kostenexplosion und eine Benachteiligung des klassischen Familienmodells.
8. Endlich soziale Absicherung für alle Frauen!
Die Fakten sind klar: Zwei von drei Bäuerinnen haben keine Sozialversicherung, und gut 70 Prozent der Frauen haben nichts von den Gewinnen, die auf dem Betrieb erwirtschaftet werden. Dabei packen viele Frauen auf dem Hof mit an – aber ohne Lohn. Offiziell gelten sie damit als nicht erwerbstätig. Mit Folgen: Bei Mutterschaft, aber auch im Scheidungsfall haben sie das Nachsehen.
Der Bauernverband schaltet auf stur. Doch nun hat es das Parlament mit der Agrarpolitik 2022+ in der Hand, die soziale Absicherung gesetzlich zu verankern. Wer nicht mitmacht, wird über die Direktzahlungen abgestraft. Der Verband Schweizer Bäuerinnen haben soeben einen Appell lanciert, der ihren Forderungen Nachdruck verleiht.
9. Endlich Vaterschaftsurlaub!
«Schäbig – vier alte Männer bodigen den Vaterschaftsurlaub», titelte BLICK im Herbst 2017, als der Bundesrat die Volksinitiative, die vier Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub fordert, ohne Gegenvorschlag versenkte. Seither ist in Bundesbern zwar ein klein wenig passiert, die Ständeratskommission rang sich sogar zu einer Variante mit zwei Wochen Papiferien durch. Doch Status quo ist: Wird ein Mann Vater, ist das arbeitsrechtlich so viel wert wie eine Züglete: Es gibt einen Tag frei.
Die ersten Wochen und Monate eines Babys sind prägend für sein restliches Leben. Darum müssen Mütter und Väter im ersten Lebensjahr eines Kindes Windeln wechseln und Kindertränen trocknen: Bauen beide Elternteile ein enges Verhältnis zum Kind auf, werden sie sich die Erziehung später auch eher aufteilen.
Mit einem gesetzlichen Vaterschaftsurlaub von vier Wochen können junge Eltern das Fundament einer modernen, geteilten Kindererziehung legen.
Realistisch sind die Papiferien durchaus: Die Volksinitiative «Vaterschaftsurlaub jetzt!» stösst auf viel Sympathie. Wenig Hoffnung macht allerdings die Regierung: Auch der neue Bundesrat mit drei Frauen hat Ende Mai abermals doppelt Nein zu den Papiferien gesagt. Schäbig!
«An euch! Frauen, die ihr in den Fabriken, den Werkstätten und den Haushalten arbeitet. Nehmt einen Tag der Freiheit. Legt die Arbeit nieder!»
So tönte es schon vor 111 Jahren! Margarethe Faas-Hardegger, Arbeiterinnensekretärin des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, rief Frauen dazu auf, am 1. Mai 1908 mittels Arbeitsverweigerung ein Zeichen zu setzen. Für das Frauenstimmrecht, für Mutterschaftsurlaub, für gleichen Lohn.
Es ist erschreckend, dass es einen Streik braucht
Heute streiken die Frauen in der Schweiz wieder. Mehr als ein Jahrhundert nach Margarethe Faas-Hardegger verdienen Frauen im Schnitt noch immer 18 Prozent weniger als Männer, mehr als 90 Prozent der Toppositionen in den Chefetagen sind mit Männern besetzt. Es ist erschreckend, dass es einen Streik braucht, um die Themen der Frauen mit Wucht auf die öffentliche Agenda zu bringen. Aber es funktioniert.
Die wichtigste Forderung der Frauen heute ist die Lohngleichheit. Der Graben zwischen Männer- und Frauenlöhnen ist Ergebnis einer langen Reihe von Ungleichheiten im Laufe eines Frauenlebens: Sie wählen eher tief bezahlte Berufe, verhandeln schlechter, arbeiten häufiger Teilzeit und werden weniger oft befördert.
Der Anfang ist gemacht, jetzt liegt es an den Frauen
Einen konkreten Anfang hat das Parlament gemacht: Nach dem Sommer tritt eine Verordnung in Kraft, die Firmen verpflichtet, Lohnanalysen zu machen. Diese Kontrolle bei Frauen- und Männerlöhnen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Lohngleichheit.
Die weiteren Bausteine können und müssen Frauen selbst hinzufügen. Indem sie über Lohn reden, so wie es die Jungen heute selbstverständlich tun. Indem sie sich trauen, zu verhandeln. Indem sie ihre Männer in die Pflicht nehmen, sich im Haushalt und in der Kinderbetreuung zu engagieren – damit Frauen mehr arbeiten können.
Der Frauenstreik heute setzt ein wichtiges Zeichen. Danach aber heisst es: Raus aus der Opferrolle, rein in die Gestalterrolle. Denn mit Nichtstun wird sich nichts verändern. Wenn das gelingt, müssen wir nicht weitere 111 Jahre warten, bis Gleichstellung endlich Realität ist. Und dann braucht es nie wieder einen Frauenstreik!
«An euch! Frauen, die ihr in den Fabriken, den Werkstätten und den Haushalten arbeitet. Nehmt einen Tag der Freiheit. Legt die Arbeit nieder!»
So tönte es schon vor 111 Jahren! Margarethe Faas-Hardegger, Arbeiterinnensekretärin des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, rief Frauen dazu auf, am 1. Mai 1908 mittels Arbeitsverweigerung ein Zeichen zu setzen. Für das Frauenstimmrecht, für Mutterschaftsurlaub, für gleichen Lohn.
Es ist erschreckend, dass es einen Streik braucht
Heute streiken die Frauen in der Schweiz wieder. Mehr als ein Jahrhundert nach Margarethe Faas-Hardegger verdienen Frauen im Schnitt noch immer 18 Prozent weniger als Männer, mehr als 90 Prozent der Toppositionen in den Chefetagen sind mit Männern besetzt. Es ist erschreckend, dass es einen Streik braucht, um die Themen der Frauen mit Wucht auf die öffentliche Agenda zu bringen. Aber es funktioniert.
Die wichtigste Forderung der Frauen heute ist die Lohngleichheit. Der Graben zwischen Männer- und Frauenlöhnen ist Ergebnis einer langen Reihe von Ungleichheiten im Laufe eines Frauenlebens: Sie wählen eher tief bezahlte Berufe, verhandeln schlechter, arbeiten häufiger Teilzeit und werden weniger oft befördert.
Der Anfang ist gemacht, jetzt liegt es an den Frauen
Einen konkreten Anfang hat das Parlament gemacht: Nach dem Sommer tritt eine Verordnung in Kraft, die Firmen verpflichtet, Lohnanalysen zu machen. Diese Kontrolle bei Frauen- und Männerlöhnen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Lohngleichheit.
Die weiteren Bausteine können und müssen Frauen selbst hinzufügen. Indem sie über Lohn reden, so wie es die Jungen heute selbstverständlich tun. Indem sie sich trauen, zu verhandeln. Indem sie ihre Männer in die Pflicht nehmen, sich im Haushalt und in der Kinderbetreuung zu engagieren – damit Frauen mehr arbeiten können.
Der Frauenstreik heute setzt ein wichtiges Zeichen. Danach aber heisst es: Raus aus der Opferrolle, rein in die Gestalterrolle. Denn mit Nichtstun wird sich nichts verändern. Wenn das gelingt, müssen wir nicht weitere 111 Jahre warten, bis Gleichstellung endlich Realität ist. Und dann braucht es nie wieder einen Frauenstreik!