Die Vorwürfe an SVP-Bundesrat Guy Parmelin (60) sind hart. Warum erteilt der Forschungsminister Maulkörbe an die Wissenschaft? Das will etwa der Basler SP-Nationalrat Beat Jans (55) wissen. Und: Auf welchem Staatsverständnis fusst eine solche Einflussnahme?
Noch deutlicher wird seine Schaffhauser Fraktionskollegin Martina Munz (63): Wann entschuldigt sich der Bundesrat bei Wissenschaft und Öffentlichkeit? Immerhin habe Parmelin versucht, wissenschaftliche Aussagen zu beeinflussen und deren Veröffentlichung zu unterbinden.
«Es besteht Handlungsbedarf!»
Mitte November hatte BLICK publik gemacht, dass Parmelin dem ETH-Institut Eawag einen Maulkorb verpasst hat. Ihm passte es nicht, dass die Forscher die Qualität des Trinkwassers bedroht sehen. Die in der Landwirtschaft eingesetzten Gifte seien eine Gefahr für Tiere und Pflanzen. «Es besteht Handlungsbedarf!», so das Fazit eines Faktenblattes des Wasserforschungsinstituts.
Der frühere Weinbauer Parmelin wollte das Dokument unter Verschluss halten. Wie aus einem ETH-internen Memo hervorgeht, durften Forscher «vom Bundesrat getroffene Entscheide nicht öffentlich kritisieren». Parmelins Maulkorb sei ein Eingriff in die wissenschaftliche Forschung, hatten ihm Politiker daraufhin vorgeworfen.
Alle Informationen offenlegen
Am Montag ging die Kritik im Nationalrat weiter. Gleich vier verschiedene Anfragen hatte die SP zum Thema eingereicht. So will etwa die St. Galler SP-Nationalrätin Claudia Friedl (59) wissen, warum der Bundesrat ein wissenschaftliches Institut öffentlich dafür kritisiert, dass es international anerkannte Messmethoden anwendet.
Ihre Luzerner Fraktionskollegin Prisca Birrer-Heimo (60) fragt, wann das Faktenblatt aufgeschaltet wird, damit die Öffentlichkeit vor der Abstimmung über die Pestizid-Initiativen über umfassende wissenschaftliche Informationen verfügt.
BLICK hat das Faktenblatt aber im Artikel «ETH-Forscherin lässt sich nicht mundtot machen» vom 13. November öffentlich gemacht. Es kann hier heruntergeladen werden.
Dementi und Gegendementi
Alles gar nicht wahr! Der Landwirtschaftsminister selber hatte die Vorwürfe stets dementiert. «Ich habe weder interveniert noch irgendeinen Maulkorb verpasst oder Druck ausgeübt», beteuerte er. Er warf Eawag-Direktorin Janet Hering damit indirekt vor, bewusst Falschinformationen verbreitet oder ihn komplett missverstanden zu haben, weil er vorab französisch gesprochen habe.
Das wiederum wollte die renommierte Forscherin nicht auf sich sitzen lassen. Die Eawag-Direktorin ist sich sicher, dass sie Parmelins Aussagen richtig verstanden und protokolliert hat.
Am Montag blieb Parmelin vor dem Nationalrat bei seinen Aussagen: Er habe nie verboten, dass das Faktenblatt veröffentlicht wird, betonte er mehrfach. Die Forschung werde keineswegs zensuriert.
Die Maulkorb-Kritik bleibt
«Er hat vielleicht nicht explizit ein Verbot ausgesprochen», kommentiert Nationalrätin Munz. «Wenn er dem ETH-Institut aber vorgibt, es dürfe mit einem solchen Papier nicht in die Politik eingreifen, bleibt dennoch eine massive Einflussnahme auf die Forschung. Das kommt einem Maulkorb gleich.»
Das sieht Fraktionskollege Jans genauso. «Ich glaube, Parmelin hat gemerkt, dass er zu weit gegangen ist. Und das bereut er jetzt.» Für eine Entschuldigung aber hat es nicht gereicht.