Kriegsdienst
Schweizer Söldner: Einsatz im Irak

Publiziert: 18.11.2006 um 16:39 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:59 Uhr
Von Walter Hauser und Johannes von Dohnanyi
Im Irak operieren inzwischen mehr Private als US-Soldaten. Auch die Zahl der Schweizer Söldner steigt. Jetzt will der Bund die privaten «Krieger» schärfer kontrollieren.

Vor einem Jahr gründete Stefan Werly (30) in Dänikon ZH die Scissar GmbH. Das Unternehmen rekrutiert junge Menschen und bildet sie für den Einsatz in Krisengebieten aus.

Der gefährliche Job reizt zunehmend auch junge Schweizer Interessenten. Der 35-jährige H. S.* war 2005 der Erste, den Werly in den Irak vermittelte. Dort bewachten der gelernte Kaufmann und sein Team elf Wochen lang ausländische Diplomaten und Geschäftsleute. Und er beteiligte sich an Einsätzen der Koalitionstruppen – für 600 Dollar (rund 750 Franken) pro Tag!

Insgesamt, so schätzen Werly und H. S., sind derzeit bis zu 40 Schweizer in der Hölle von Bagdad im Einsatz. Dass sein Geschäftsmodell funktionieren würde, wusste Stefan Werly von Anfang an: Überall auf der Welt werden traditionelle Aufgaben von Streitkräften Privatunternehmen überlassen – von der Wartung des Fuhrparks über den Personenschutz bis hin zu Verhören von Gefangenen. Doch für Privatarmeen gelten internationale Normen wie die Genfer Kriegsrechtskonventionen nicht, und sie operieren abseits jeder politischen Kontrolle.

Deshalb bereitet die Privatisierung des Kriegs dem Bundesrat zunehmend Sorge. Bern fürchtet um den Ruf der Schweiz als neutrales Land. «Das EDA ist sich der Probleme bewusst, die sich durch den Einsatz privater Sicherheitsfirmen, insbesondere in Konfliktgebieten, ergeben können», sagt EDA-Sprecher Johann Aeschlimann.

Erst vergangene Woche hat das federführende Bundesamt für Justiz zu einem Hearing gebeten. Eingeladen waren Polizeibeamte, Security-Firmen, Armeerepräsentanten sowie Vertreter von EDA und IKRK. Angestrebt wird ein Söldnergesetz. Nur solche Firmen sollen Privatsoldaten in Krisengebiete entsenden dürfen, die sich zur Einhaltung der internationalen Konventionen verpflichten.

Neben der Scissar GmbH, eine Tochtergesellschaft des britischen Sicherheitsunternehmens Scissar Limited, sind weitere Schweizer Firmen in Kriegsregionen tätig, so etwa Texet (Märstetten TG) und Claris (Zürich); sie sind im internationalen Vergleich aber nur kleine Fische. Weltweit wird der Jahresumsatz der Boombranche auf rund 200 Milliarden Dollar geschätzt. Marktführer wie das US-Unternehmen Blackwater verfügen sogar über Panzer und Kampfflugzeuge. Zunehmend sind moderne Söldnerfirmen auch auf dem Gebiet der Informationsbeschaffung tätig.

Auch weil die nationalen Armeen die Lage im Irak längst nicht mehr im Griff haben, gibt es dort mehr Privatsoldaten als US-Armeeangehörige.

Zwar bestreiten Firmen wie Scissar, dass sie in den Krisenregionen direkt ins Kriegsgeschehen eingreifen. Aber auch Stefan Werly räumt ein, dass die Grenze zwischen Kriegseinsätzen und reinen Überwachungsaufgaben fliessend ist.

Die Zahl der internationalen Sicherheitsfirmen, die Tochtergesellschaften in der Schweiz gründen, steigt seit Jahren kontinuierlich an. «Das Wort ‹Schweiz› in der Firmenadresse ist ein Gütesiegel», so der Scissar-Chef. Schweizer seien für Hochrisiko-Einsätze besonders gefragt: «Die meisten verfügen über eine umfassende Berufsausbildung und gelten charakterlich als zuverlässig.»

Weil Scissar ausser Sicherheitspersonal auch Sanitäter und Ingenieure in Krisenregionen schickt, plädiert auch Werly für eine Bewilligungspflicht. Die amtliche Zertifizierung durch die Schweiz, glaubt er, könnte dem Ansehen seines Unternehmes nur nützen.

* Name ist der Redaktion bekannt

Interview mit Söldner H. S.

Herr S., was reizt Sie am Irak?
H. S.: Ich fahre nicht dorthin, um «Kriegerlis» zu spielen. Zwar sind Kampfeinsätze im Irak unvermeidlich, aber ich erfülle dort auch wichtige Aufgaben wie den Schutz bestimmter Personen. Insofern ist mein Einsatz vergleichbar mit Friedensmissionen der Armee.

Wie haben Sie den Irak erlebt, als Sie vor ein paar Monaten dort waren?
Es war alles viel schlimmer als in den Medien dargestellt. Es gab 30 bis 40 grössere Attentate pro Tag. Das ist Krieg.

Waren Sie während des Einsatzes in Lebensgefahr?
Immer wieder. Sobald man das Camp verlässt, sieht man, wie aus Autos und von Hausdächern auf alles geschossen wird. Als Amerikaner oder Europäer kann man sich dort nur schwer bewaffnet bewegen.

Wie verarbeiteten Sie das psychisch?
Zuerst hatte ich Angst. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran und wird dem Tod gegenüber gleichgültig.

Können Sie mit Schweizer Freunden über Ihre Arbeit
reden?

Die wissen nicht, was ich wirklich mache. Ich muss anonym bleiben. Würde ich öffentlich darüber sprechen, wären ich und meine Familie mögliche Zielscheiben für terroristische Organisationen.

Herr S., was reizt Sie am Irak?
H. S.: Ich fahre nicht dorthin, um «Kriegerlis» zu spielen. Zwar sind Kampfeinsätze im Irak unvermeidlich, aber ich erfülle dort auch wichtige Aufgaben wie den Schutz bestimmter Personen. Insofern ist mein Einsatz vergleichbar mit Friedensmissionen der Armee.

Wie haben Sie den Irak erlebt, als Sie vor ein paar Monaten dort waren?
Es war alles viel schlimmer als in den Medien dargestellt. Es gab 30 bis 40 grössere Attentate pro Tag. Das ist Krieg.

Waren Sie während des Einsatzes in Lebensgefahr?
Immer wieder. Sobald man das Camp verlässt, sieht man, wie aus Autos und von Hausdächern auf alles geschossen wird. Als Amerikaner oder Europäer kann man sich dort nur schwer bewaffnet bewegen.

Wie verarbeiteten Sie das psychisch?
Zuerst hatte ich Angst. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran und wird dem Tod gegenüber gleichgültig.

Können Sie mit Schweizer Freunden über Ihre Arbeit
reden?

Die wissen nicht, was ich wirklich mache. Ich muss anonym bleiben. Würde ich öffentlich darüber sprechen, wären ich und meine Familie mögliche Zielscheiben für terroristische Organisationen.
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