Kurz zusammengefasst
- Biodiversitäts-Initiatiie will mehr Naturschutzflächen
- Auch der Heimatschutz soll gestärkt werden
- GFS-Umfrage sieht Gegner mit 51 Prozent vorn
Der Support für die Biodiversitäts-Initiative ist breit. Knapp 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Parteien von links bis in die politische Mitte oder Prominente wie TV-Legende Beni Thurnheer (75) machen sich für ein Ja stark. Und trotzdem steht die Initiative auf der Kippe: Die Zustimmungswerte sind in den letzten Wochen gesunken. 51 Prozent der Befragten lehnten in der jüngsten und letzten Abstimmungsumfrage von GFS Bern das Volksbegehren ab.
Selbst im Öko-Lager gibt es kritische Stimmen, die Unzufriedenheit äussern über die Initiative und deren Formulierung. Doch der Initiativtext ist nicht das einzige Problem. Das sind die Knackpunkte:
Strittiger Heimatschutz
Die Biodiversitäts-Initiative will Bund und Kantone verpflichten, mehr Schutzflächen zu schaffen und mehr Geld in den Erhalt und die Förderung der Biodiversität zu stecken. Doch das ist nicht alles. Sie hält auch fest, dass Ortsbilder und historische Baudenkmäler geschützt werden müssen. Die Gegner warnen, dass dies Bauprojekte verhindern oder verzögern könnte und die Wohnungsknappheit somit weiter verschärfen dürfte.
Die Initianten hingegen finden, dass auch Gebäude und Orte besser vor Verschandelung geschützt werden müssen. Dass die Initiative den Heimatschutz mit ins Visier nimmt, begründet das Komitee auch damit, dass Natur- und Heimatschutz schon jetzt in der Verfassung in einem gemeinsamen Artikel geregelt sind. Doch diese Kombination vergrössert die Angriffsfläche für die Gegner. Ein weiteres Problem, auf das die Gegner hinweisen: Der verstärkte Biodiversitäts-Schutz könnte den Ausbau der erneuerbaren Energien behindern.
Die Sache mit den Prozenten
Wie bei der Pensionskassen-Reform ist auch die Diskussion um die Biodiversitäts-Initiative zur Zahlenschlacht verkommen. Der Bauernverband behauptet, dass 30 Prozent der Landesfläche «praktisch unantastbar» würden. Womit die Versorgungssicherheit gefährdet wäre. Diese Zahl steht allerdings nicht im Initiativtext. Sie bezieht sich auf das 2023 in einem internationalen Abkommen formulierte Ziel, dass bis 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresfläche geschützt werden sollen. Auch die Schweiz hat das Übereinkommen ratifiziert. Der Bund hielt fest, dass es sich dabei um ein globales und kein nationales Ziel handle.
Was mit zum Zahlensalat beiträgt: Es gibt verschiedene Arten von Schutzflächen, die unterschiedlich stark geschützt sind. Beide Seiten verwenden die Zahlen, die ihren Standpunkt besser stützen. Fakt ist, wie das Bundesamt für Umwelt festhält: Die Schweiz hinkt ihren Biodiversitäts-Zielen hinterher. Bis 2020 war das Ziel, dass 17 Prozent der Landesfläche Schutzgebiete sind. Heute sind es knapp 14 Prozent.
Viele offene Fragen
Die Zahlenverwirrung ist mit einem dritten Problem verknüpft: Die Biodiversitäts-Initiative ist sehr allgemein gehalten. Konkrete Zielwerte nennt sie keine. Zudem ist Biodiversität ein abstrakter Begriff, unter dem sich viele nicht viel vorstellen können. Dem Ja-Lager ist es in den vergangenen Wochen nicht gelungen, aufzuzeigen, was sich mit der Initiative ganz konkret ändern würde – und weshalb die heutigen Gesetze nicht reichen.
Bundesrat verschweigt Fakten
Umweltminister Albert Rösti (57) trägt ebenfalls seinen Teil dazu bei, der Initiative den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das Bundesamt für Umwelt wird auf seiner Website deutlich und schreibt, dass die Biodiversität in der Schweiz unter Druck stehe: «Fördermassnahmen zeigen zwar lokal Wirkung, doch die Biodiversität ist weiterhin in einem schlechten Zustand und nimmt weiter ab.» Doch im Abstimmungsbüchlein fehlt diese Aussage. Die «Republik» hat aufgedeckt, dass ein Satz mit praktisch gleichem Inhalt auf Geheiss des SVP-Bundesrats gestrichen wurde.
Gegner oder Befürworter: Wer sich letztlich durchsetzt, zeigt sich am 22. September.