Die politische Sommerpause neigt sich dem Ende zu: Nächste Woche wird sich der Bundesrat erstmals wieder zu einer ordentlichen Sitzung treffen. Und pünktlich zum Ferienende wächst auch sein Unmut darüber, wie die Kantone die Corona-Pandemie über den Sommer bewältigt haben.
Am Donnerstag wurde dann Pascal Strupler (62), Direktor der Bundesamts für Gesundheit (BAG) vorgeschickt, um die Kantone «wachzurütteln»: Die Zahl der Neuinfektionen hatte die 200er-Marke überschritten, der Bund forderte die Kantone auf, weitergehende Massnahmen wie eine Maskenpflicht im Einzelhandel und kleinere Personengrenzen in Gastronomiebetrieben zu ergreifen.
Kantone sind zuversichtlich – oder?
Was sofort den Widerstand der Gesundheitsdirektoren weckte: «Nach meinem Empfinden ist es nicht nötig, die Kantone aufzurütteln. Kein Kanton schläft», sagte Lukas Engelberger (45), Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) gegenüber SonntagsBlick. Und er verbreitete Zuversicht: Die Kantone seien «so aufgestellt, dass wir auch eine grössere Welle in der besonderen Lage bewältigen können».
Doch nicht nur in Bern gibt es Zweifel daran. Der Urner Finanzdirektor und Vizeregierungsratspräsident Urs Janett (44) sagte gemäss der «NZZ am Sonntag», er mache sich Sorgen, dass der Föderalismus wirklich funktioniere. Und plädierte dafür, dass der Bund eine Maskenpflicht in Geschäften anordne.
Die grosse Uneinigkeit der Kantone
Eine Maskenpflicht könnten auch die Kantone durchsetzen – nur werden sie sich nicht einig. Das hat mit verschiedenen Faktoren zu tun, wie Peter Peyer (55), Gesundheitsdirektor von Graubünden, sagt. So sei die epidemiologische Situation in jedem Kanton anders. Und selbst wenn sich die GDK auf etwas einigen könnte – weisungsbefugt ist sie nicht. Und dann sind die Zuständigkeiten in jedem Kanton anders. Manche Gesundheitsdirektoren brauchen für jede Anordnung das Okay von ihren Regierungsgschpändli. Hinzu kommen Parteipolitik und, wie Peyer unumwunden zugibt, «Druck von Interessengruppen».
Dennoch erinnert der SP-Mann daran, dass die Kantone Druck auf den Bund ausgeübt hatten, das Pandemie-Notrecht zu beenden. «Die Kantone haben die Verantwortung gewollt. Auch wenn nicht immer alles optimal läuft: Jetzt bei jeder Kleinigkeit auf den Bund zu schiessen, bringt wenig.» Eines Tages, ist er überzeugt, müsse man über neue föderale Entscheidungsmechanismen in Krisen reden.
Peyer hofft auf regionale Allianzen
Jetzt aber müsse erst einmal die aktuelle Krise gemeistert werden. Und wenn sich 26 Kantone nicht einigen können, könnte es mit kleineren Zusammenschlüssen klappen, so Peyers Hoffnung. «Ideal wäre es, die Kantone könnten sich zumindest auf regionaler Ebene finden und einheitliche Massnahmen ergreifen. So wäre es für die Bevölkerung besser verständlich.»
Einen Schritt in diese Richtung wollen die Zentralschweizer Kantone machen. Dort formiert sich eine Allianz zwischen Luzern, Schwyz, Nid- und Obwalden für eine einheitliche Laden-Maskenpflicht, wie die Luzerner Gesundheitsdirektion gegenüber BLICK bestätigte.
Bund will die Macht nicht zurück – noch nicht
Ob auch weitere Kantone zu solchen Allianzen bereit sind, muss sich zeigen. Klar ist: Sollten sich die Corona-Zahlen weiter erhöhen und die Kantone auf welche Art und Weise auch immer, darauf reagieren, wird der Bund wieder die Kontrolle übernehmen. Er muss dazu nicht einmal die Notlage ausrufen, wie er das im März tat.
Noch will die Landesregierung davon aber nichts wissen. Am Rande der Nationalfeier am 1. August auf dem Rütli sagte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60): «Der Bundesrat übernimmt erst wieder die Führung, wenn die Kantone diesen Wunsch äussern.» Die ersten Anzeichen dafür sind da. Gestern meldete der Bund 138 Neuinfizierte. An einem Sonntag.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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