Die Spitäler ringen um jedes freie Bett, schon wieder. Nicht dringliche Operationen werden verschoben, Privatkliniken zur Hilfe verpflichtet. Die Folge: Den Spitälern fehlende wichtige Einnahmen. Denn Covid-Patienten kosten viel, bringen aber weniger ein als planbare Operationen.
Wie gross die Verluste sind, zeigt das Jahr 2020: Weniger als jedes dritte Akutspital schrieb schwarze Zahlen. Im Jahr zuvor waren es noch doppelt so viele. Insgesamt mussten Spitäler, Kliniken und Heime 2020 ein Defizit von 1,2 Milliarden Franken verbuchen, wie das Bundesamt für Statistik berechnet hat. In sich hatte es vor allem ein Machtwort des Bundesrates vom Frühling 2020: In der ersten Corona-Welle sprach er kurzerhand ein Verbot aller nicht dringlichen Operationen aus. Der Spitalverband H+ etwa schätzte, dass 80 Prozent der Verluste darauf zurückgehen.
Der Bund soll zahlen
Die Forderung, dass der Bund diese Verluste nun auch bezahlen soll, liess nicht lange auf sich warten. Nur denkt dieser nicht daran, in die Bresche zu springen, wie Gesundheitsminister Alain Berset (49) schon letzten Sommer deutlich machte: Der Bund sei nicht zuständig. Eine Reihe Kantone gab allerdings nicht auf: Das Tessin, Schaffhausen, Aargau und Basel-Stadt wollen, dass der Bund einmal mehr die Schatulle öffnet. Auch die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) unterstützt die Forderung.
«Wer befiehlt, soll auch zahlen!», findet etwa der Aargauer Grosse Rat, der eine entsprechende Initiative eingereicht hat. Im Aargau allein wird der Verlust wegen des Verbots mit rund 100 Millionen Franken beziffert.
Finanzierung über Bund «systemfremd»
Wenig Verständnis für die Kantone hat Gesundheitsökonom Heinz Locher. «Dass derjenige, der befiehlt, nicht unbedingt bezahlt, ist im Schweizer Gesundheitssystem völlig normal», sagt er. Schliesslich mache der Bund Spitälern viele Vorschriften, die letztlich die Kantone finanzierten. Die Lücken von 2020 nachträglich durch den Bund finanzieren zu lassen, sei «absolut systemfremd».
Die Kantone selbst sehen das anders. Denn der Bund hat durchaus schon Geld ausgegeben in Bereichen, in denen er nicht direkt zuständig ist – zum Beispiel im Ortsverkehr. «Jede beliebige Branche hat in der Krise Unterstützung bekommen – und ausgerechnet bei den Spitälern will sich der Bund aus der Verantwortung stehlen», sagt der Aargauer Grossrat Severin Lüscher (58), der im Kantonsparlament die Gesundheitskommission präsidiert.
Allerdings hat just der Aargau 2020 keineswegs Minus gemacht. Im Gegenteil, dank Ausschüttungen der Nationalbank schrieb der Kanton 2020 einen satten Überschuss. «Natürlich wird der Kanton Aargau wegen den Ausfällen nicht pleitegehen», räumt Lüscher ein. Doch es gehe letztlich ums Prinzip.
Streit der Prinzipienreiter
Ums Prinzip geht es auch Mitte-Ständerat Peter Hegglin (60). Als die Forderung der Kantone am Donnerstag im Ständerat traktandiert war, hatte der Zuger für eine Ablehnung votiert. 80 Prozent der Kosten, die die Pandemie bislang verursacht hat, trage der Bund, hielt er in der Debatte fest. «Wenn wir wüssten, dass die Kantone in liquiden Problemen wären, könnte ich eine Zustimmung irgendwie noch unterstützen», fand er. «Aber das ist beileibe nicht der Fall!»
So wie er sah das auch eine knappe Mehrheit der Ständeräte. Vom Tisch ist die Forderung aber noch nicht: Als Nächstes wird sich der Nationalrat damit befassen – allzu grosse Hoffnungen sollten sich die Kantone aber nicht machen. Der Streit ums Geld ist dennoch nicht beerdigt. «Langfristig muss geklärt werden, wer in Pandemiesituationen für Ertragsausfälle aufzukommen hat», steckt die GDK das Feld schon einmal ab.