Kandidatin Karin Schwiter fährt gegen den Wind
Nirgendwo hat es die SP so schwer wie in der Innerschweiz

Nirgendwo hat es die SP so schwer wie in der Innerschweiz. In Schwyz etwa wurde vor vier Jahren Andy Tschümperlin abgewählt – obwohl er Fraktionschef war. Karin Schwiter versucht jetzt, den Sitz zurückzuerobern.
Publiziert: 06.09.2019 um 23:17 Uhr
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Aktualisiert: 07.09.2019 um 22:47 Uhr
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Karin Schwiter (41) will für die SP in den Nationalrat.
Foto: Philippe Rossier
Joel Probst

Sie werde sicher mal Bundesrätin, witzelten ihre Schulkollegen über Karin Schwiter (41). Das hält zwar sogar die schmale SP-Frau aus Lachen SZ selber für unwahrscheinlich. Optimistisch ist sie aber, im Herbst in den Nationalrat gewählt zu werden. Obwohl Schwiter es eigentlich besser wissen müsste.

Sie kennt die bürgerliche Übermacht, gegen die sie 14 Jahre lang ankämpfte, bestens. 2004 wurde sie als damals jüngste Frau in den Kantonsrat gewählt, letztes Jahr trat sie nach ihrem Jahr als Kantonsratspräsidentin zurück. Unaufhörlich setzt sie sich für linke Anliegen wie mehr Krippenplätze und bezahlbare Wohnungen ein. Fast immer ohne Erfolg. Denn Grüne und SP stellen in Schwyz keinen einzigen Regierungsrat und nicht einmal ein Sechstel aller Kantonsräte.

«In Zürich hats ja schon einen Haufen Linke»

«Es gab Tage, da haben wir keine einzige Abstimmung gewonnen. Das war schon frustrierend», erzählt Schwiter, als BLICK sie an einem regnerischen Tag in ihrer Wohnung mitten in Lachen trifft. Trotzdem sei es wichtig, immer weiterzumachen: «In Zürich hats ja schon einen Haufen Linke. Ich wollte denen hier eine Stimme geben.»

Im Nationalrat könnte die linke Frau mehr bewegen. «Darauf freue ich mich!» Doch dass die SP-Frau den Sprung tatsächlich schafft, ist unwahrscheinlich. Dafür müssten Grüne und SP, die eine Listenverbindung eingegangen sind, deutlich zulegen.

Wahlen stehen «unter einem anderen Stern»

Nur dann könnte sie den Sitz zurückerobern, den Andy Tschümperlin (57, SP) vor vier Jahren völlig unerwartet an die SVP verlor. Es war eine schallende Ohrfeige für die Schwyzer Sozialdemokraten: Mit der Abwahl des amtierenden SP-Fraktionschefs rechneten nicht mal seine ärgsten Feinde.

«Diese Wahlen stehen aber unter einem anderen Stern», sagt Schwiter überzeugt. Hätten 2015 noch Migrationsthemen dominiert, so bewegten jetzt die Klimaschüler und der Frauenstreik die Wähler: Das werde sogar im konservativen Schwyz Spuren hinterlassen. Endlich. Schwiter lächelt verschmitzt: «Zuvor hatte ich schon Angst, dass die Jungen alles einfach so hinnehmen.»

Bürgerliches Elternhaus

Typisch schwyzerisch in einem CVP-Elternhaus aufgewachsen, war sie schon immer politikinteressiert, protestierte  etwa gegen AKW. Und stritt sich dementsprechend oft mit ihren Eltern. Auch heute noch diskutieren die Schwiters gerne, aber «auf eine nette Art». Schwiter grinst. Sie scheut Wortgefechte nicht.

Für ihr politisches Engagement erhält sie allerdings auch immer mal wieder «böse Briefe», wie sie sie nennt. Selten wird sie auch im Dorf angepöbelt. Wenn sie sich zu Migrationsthemen äussere, etwa: «Dass es fremdenfeindliche Tendenzen im Kanton Schwyz gibt, ist kein Geheimnis.»

Mit dem Einrad einkaufen gehen

Trotzdem wolle sie ihren Kanton nicht verlassen, sagt Schwiter und deutet auf die grünen Hügel hinter ihr: «Wo sonst kann man aus dem Haus gehen und direkt losbiken?» Die SP-Frau ist velobegeistert, mitten in ihrem hellen Wohnzimmer zwischen Esstisch und Töggelikasten steht ein Einrad: «Mit dem ging ich früher sogar einkaufen. Aber so gut kann ich es leider nicht mehr», sagt sie lachend.

Die Menschen, die Schwiter beim Einkaufen im Dorf antrifft, denken bürgerlich. Daran hat sich in der Innerschweiz seit Jahrzehnten nichts geändert. Doch wieso? Die Schuld der Linken sei es nicht, sagt Schwiter: «Reiche ziehen hierher und wählen Steuerdumping-Parteien, während die sozialen Jungen wegziehen, weil es für sie hier zu teuer ist.» Es sei ein Teufelskreis.

Die SP tue derweil alles, um Erfolg zu haben: «Wir politisieren mit engagierten und verwurzelten Leuten. Nicht mit Cüpli-Sozialisten!» Ohne Zweifel ist auch Schwiter in Schwyz verwurzelt, lebt sie mit ihrem Partner in Lachen, wo sie aufgewachsen ist.

Fehlt der SP ein Rezept für die Innerschweiz?

Die kinderlose SP-Frau ist allerdings auch durch und durch Akademikerin: Als Wirtschaftsgeografin doziert und forscht sie an der Universität Zürich zu «prekären Arbeitsmärkten», wie etwa dem Pflegesektor. Ob das im ländlich geprägten Schwyz von Vorteil ist?

«Die Leute, die mich wählen, müssen ja nicht mit mir identisch sein», meint Schwiter. Sie wolle die Schwyzer mit ihren Themen abholen: bezahlbare Wohnungen, faire Löhne und erneuerbare Energie. Es sind dieselben Anliegen wie schon vor vier Jahren. Ein Erfolgsrezept für die Innerschweiz scheint die SP nach wie vor nicht zu haben.

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