Darum gehts
- IV prüft verstärkte Begleitung und interne Abklärungen zur Vermeidung externer Gutachten
- Kritik an umstrittenen Gutachtern führte zu Anpassungen im System
- Seit 2022 werden bidisziplinäre IV-Gutachten per Zufallsprinzip verteilt
Es ist eine kurze Passage mit politischem Sprengpotenzial für die nächste IV-Revision. Versicherte sollen allgemein eine verstärkte Begleitung und Fallführung erhalten sowie vermehrt durch interne Stellen abgeklärt werden, heisst es in den amtsinternen Unterlagen zur Ämterkonsultation. Und: «Nicht zuletzt sollen damit externe Gutachten möglichst verhindert werden.» Eine Kampfansage an fragwürdige Gutachter!
Solche haben in den letzten Jahren regelmässig für negative Schlagzeilen gesorgt. So beleuchtete auch der Blick regelmässig die Fehlentwicklungen im Gutachterwesen. Der frühere SonntagsBlick-Journalist Thomas Schlittler (36) holte sich mit seiner Serie «Das kranke IV-System» den Zürcher Journalistenpreis 2020. Er zeigte damals auf, dass die IV drei Viertel aller Gutachten von sehr wenigen Gutachtern erstellen lässt. Zum Zuge kamen jene, die Rentengesuche häufig ablehnten. Dafür wurden sie von der IV fürstlich entschädigt.
Für Empörung sorgte später ein IV-Arzt, der innert eines Jahres 150 Gutachten anfertigte und dafür 568'650 Franken kassierte – im Nebenjob notabene. Andere umstrittene IV-Gutachter landeten sogar vor Gericht.
Öffentliche Listen und Tonaufnahmen
Die Kritik ging auch am Bund nicht spurlos vorbei, sodass das Gutachtersystem angepasst wurde. Seit 2022 sind die beauftragten Sachverständigen auf öffentlichen Listen einsehbar. Zudem werden Gespräche zwischen Gutachter und Versicherten in der Regel aufgezeichnet. Bidisziplinäre IV-Gutachten werden zudem im Losverfahren per Zufallsprinzip verteilt. Allerdings kann gerade Letzteres zu Problemen führen: So gibt es Fälle, in denen Betroffene durch die halbe Schweiz zu einer Gutachter-Klinik reisen müssen, obwohl es für sie eine enorme Belastung darstellt.
Für Baume-Schneider scheint die Gutachter-Frage ein sensibler Bereich zu sein, von dem sie lusche Unternehmen fernhalten will. Die IV-Stellen sollen deshalb ihren Spielraum nutzen, damit künftig weniger Gutachten durch die private Gutachterindustrie erstellt werden. Stattdessen dürften vermehrt Expertinnen und Experten von öffentlichen Spitälern und IV-Behörden zum Zug kommen.