Mit nur 35 Prozent Ja-Stimmen haben die Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons Zürich der Elternzeit vergangenen Sonntag eine deutliche Abfuhr erteilt. Einzig und allein die Stadt Zürich sprach sich für die SP-Initiative aus, die je 18 Wochen Elternzeit für frischgebackene Mütter und Väter forderte. Und das auch nur mit knappen 53 Prozent.
Die Initianten sind ernüchtert. Man habe sich sicher mehr erhofft, sagte die Zürcher SP-Nationalrätin Min Li Marti (47) gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Das Nein des Kantons Zürich sei ein «starker Dämpfer» für eine nationale Elternzeit: «Es ist schwieriger, in Bern etwas zu lancieren, nachdem man in Zürich so abgeschifft ist.»
Jungpartei prescht vor
Und doch gibt es das Bestreben, das zu tun. Allerdings sind es nicht die Linken, die nach der Elternzeit-Schlappe in Zürich vorpreschen. Sondern Jungpolitiker aus dem bürgerlichen Lager.
«Man darf das Nein in Zürich nicht so deuten, dass man die nächsten zehn Jahre nun eh keine Chance hat», sagt Marc Rüdisüli (23), Präsident der Jungen Mitte. Vielmehr habe es gezeigt, dass die Forderung nach einer Elternzeit nur auf nationaler Ebene eine Chance habe. «Ausserdem muss sie von der Wirtschaft mitgetragen werden und pragmatisch sein.»
Wie viel Elternzeit verträgt die Schweiz?
Für die Suche nach einem mehrheitsfähigen Kompromiss nimmt die Junge Mitte nun Geld in die Hand und gibt eine Umfrage in Auftrag. Die Jungpartei will von der Bevölkerung wissen: Wie viel Elternzeit verträgt die Schweiz? Konkret wolle man rausfinden, welche Vorstellungen und Ansprüche junge Familien heute haben und welche Finanzierungsform am meisten Rückhalt hat, sagt Rüdisüli.
Je nach Resultat will die Junge Mitte dann Partner ins Boot holen. «In erster Linie wollen wir versuchen, das Anliegen national zwischen links und rechts zu deblockieren. Wir sind auch bereit uns über politische Vorstösse einzubringen, wenn nötig auch per Volksinitiative», kündigt Rüdisüli an.
Druck auf Mutterpartei
Die Junge Mitte macht mit ihrem Vorpreschen auch der eigenen Mutterpartei Dampf. Diese hatte sich im Parlament nur schon gegen vier statt zwei Wochen Vaterschaftsurlaub gesträubt. «Die Mitte muss sich bei diesem Thema schneller bewegen», findet Rüdisüli. Gerade als selbsternannte Familienpartei.
Die Jungpartei ist nicht die einzige Akteurin, die eine nationale Elternzeit vorantreiben will – trotz Abstimmungsflop in Zürich. Schon vor zwei Jahren ist eine nationale Volksinitiative für eine Elternzeit angekündigt worden. Und zwar von der Stiftung Public Beta, hinter dem Demokratie-Aktivist Daniel Graf (49) steht, der auch massgeblich für das Zustandekommen des Frontex-Referendums verantwortlich war.
Erster Anlauf floppte
Die Initiative hätte eigentlich bereits 2021 von einer breiten Allianz lanciert werden sollen. Doch weil man sich nicht auf ein bestimmtes Elternzeit-Modell einigen konnte, verlief das Projekt im Sand.
Abgeschrieben sei es damit aber nicht, betont Graf. Für ihn steht zwar fest, dass er den Lead nicht übernimmt. Aber Gespräche seien in Gang und der Wille, gemeinsam vorwärts zu kommen, sei da. «Ich bin sehr zuversichtlich, dass in rund einem Jahr eine breit abgestützte Elternzeit-Initiative starten kann», sagt er.