Auch in Brüssel wird heute das Resultat der Abstimmung über das revidierte Schweizer Waffenrecht mit Spannung erwartet. Nicht, dass die europäischen Partner mit einem Nein zur Übernahme der EU-Waffenrecht-Richtlinie und – damit verbunden – mit einem automatischen Aus des Schengen-Dublin-Abkommens rechnen. Aber die Höhe des Ja-Anteils interessiert Brüssel sehr wohl.
Zumindest glaubt dies Finanzminister Ueli Maurer (68), wie SonntagsBlick weiss. Seine Partei propagierte zwar als einzige die Nein-Parole zum Waffenrecht, aber ein deutliches Ja wäre in den Augen des SVP-Magistraten ein positives Signal an die EU, das für eine wieder freundliche Atmosphäre sorgen würde. In seinem Departement hofft man jedenfalls, dass sich Brüssel mit der baldigen Verlängerung oder gar einer unbefristeten Erteilung der Börsenäquivalenz revanchiert.
Offiziell spekuliert das Finanzdepartement selbstverständlich «weder über den Ausgang einer Abstimmung noch über Reaktionen der EU».
Ebenso selbstverständlich weiss man dort aber auch, dass die Gleichstellung der Schweizer Börsen mit den anderen europäischen Aktienhandelplätzen bereits Anfang Juli wegfällt, wenn sie nicht verlängert wird. Denn Brüssel hat diese «Äquivalenz» unmissverständlich an ein Entgegenkommen beim Rahmenabkommen geknüpft und befristet.
Plan B steht bereits
Für den Notfall verabschiedete der Bundesrat schon im November eine Verordnung zum Schutz der Schweizer Börsen, die es EU-Händlern ermöglichen würde, weiterhin ohne Benachteiligung auf dem hiesigen Aktienmarkt tätig zu sein. So gäbe es keine Schlechterstellung der EU-Anleger bei Investitionen in Schweizer Aktien – und der wesentliche Teil des Handelsvolumens wäre abgesichert.
Auch andere SVP-Prominente hoffen, dass es diesen Plan B nicht braucht. Hannes Germann (62, SH), SVP-Ständerat und Präsident der Finanzkommission, würde einen hohen Anteil von Ja-Stimmen zum neuen Waffenrecht als gutes Signal an Brüssel werten: «Es wäre ein logischer Schritt, wenn die EU nach der Abstimmung der Schweiz entgegenkäme.» Germann weiter: «Der Bundesrat hat richtigerweise einen Plan B ausgearbeitet. Aber es wäre halt kein Plan B, wenn die unbefristete Börsenäquivalenz nicht die bessere Lösung wäre.»
Andere SVP-Finanzpolitiker halten eine Verknüpfung des Waffenrechts mit der Börsenfrage für deplatziert. «Ich finde es rechtsstaatlich bedenklich, wenn die EU Sachfremdes wie die Börsenäquivalenz mit dem Rahmenabkommen verbindet», sagt Thomas Matter (53, ZH), SVP-Nationalrat und Banker.
Entgegenkommen an Kohäsions-Beitrag knüpfen
Wie Matter sieht auch Nationalrat und Banken-Verwaltungsrat Franz Grüter (55, LU) keine Notwendigkeit für diese Verknüpfung: «Natürlich könnte ein klares Ja zum Waffenrecht eine gewisse Entspannung bringen. Aber mit dem Plan B hat der Bundesrat bereits eine sehr clevere Lösung aufgegleist.» So würde der Schweizer Bankenplatz wenigstens nicht nachhaltig geschwächt, ist Grüter überzeugt.
Noch spitzer reagiert Peter Keller (48, NW), SVP-Programmchef und ebenfalls Mitglied der nationalrätlichen Finanzkommission: «Wenn der Finanzminister auf ein Entgegenkommen der EU erpicht ist, dann hätte er sich ja auch dafür einsetzen können, den 1,3 Milliarden-Kohäsionsbeitrag der Schweiz an die EU mit Gegenleistungen wie der Börsenäquivalenz zu verknüpfen.»