Interview mit SRF-Direktor Rudolf Matter
«400 Franken Gebühren reichen»

SRF-Direktor Rudolf Matter verteidigt den Service public – und verteilt Noten an Sendungen wie «The Voice», «Schawinski» oder «10 vor 10».
Publiziert: 10.05.2015 um 11:21 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 18:49 Uhr
Interview: Silvana Guanziroli und Philippe Pfister; Sabine Wunderlin (Fotos)

SonntagsBlick: Herr Matter, seit viereinhalb Jahren sind Sie nun Chef beim Schweizer Radio- und Fernsehen. Was war in dieser Zeit Ihr bestes Erlebnis?
Ruedi Matter:
Ein Highlight für mich war die letzte Staffel von «Die grössten Schweizer Talente» vor wenigen Wochen. Es war, auch in Kreuzlingen selbst, toll, die Begeisterung mitzuerleben. Stolz bin ich auf unsere Arbeit an den Olympischen Winterspielen in Sotschi. Wir haben das Weltsignal für die Ski-alpin-Übertragungen produziert – und dafür vom IOC den Preis für die beste Sportproduktion erhalten.

Hat der Radio- und TV-Chef eine Lieblingssendung?
(Überlegt eine Weile) Das ist schwer zu beantworten, da ich für ein grosses Volumen an Sendungen in der deutschsprachigen Schweiz verantwortlich bin. Ich kann Ihnen sagen, wie ich das SRF-Angebot nutze: Morgens und immer im Auto höre ich mehrere Radioprogramme, die TV-Informationssendungen versuche ich nicht zu verpassen, viele Sendungen sehe ich mir im Nachhinein auf unserem Online-Player an, und mehrmals täglich bin ich auf unseren Online-Seiten.

Welche Sendung verpassen Sie nie?
«Giacobbo/Müller» am Sonntagabend.

Und gefällt Ihnen, was Sie dort sehen?
Ja, ich freue mich immer, wenn sie ein paar scharfe Pointen bringen.

Wie sind Sie mit der neuen «Arena» zufrieden?
Die Auffrischung hat der Sendung gutgetan. Das Wichtigste sind aber die Gäste und der Moderator. Jonas Projer hat sich gut in dieser Rolle eingelebt. Er leitet die Sendung mit einer Stringenz, die überzeugt. Er lässt keine Monologe zu, bringt Themen auf den Punkt und macht das in einer jungen und frischen Art.

Sie setzen auf Casting-Formate wie «Die grössten Schweizer Talente». Kritiker sagen, solche Sendungen seien überholt. Haben Sie ein Samstagabend-Problem?
Casting-Formate sind nach wie vor sehr erfolgreich. Bei «Die grössten Schweizer Talente» war der Marktanteil hervorragend. Bei «The Voice» war uns von vornherein klar, dass wir einen tieferen Wert erzielen würden. Wir wollten aber beweisen, dass wir auch ein jüngeres Publikum erreichen können. Und das haben wir geschafft. Wir haben in der jungen Zielgruppe prozentual mehr Leute erreicht als die deutsche Version.

Trotzdem: Die Frage nach etwas Innovativem drängt sich auf.
Gerade in der Unterhaltung sind wir sehr innovativ. Wir haben in den letzten Jahren mehrere Dutzend neue Unterhaltungsformate entwickelt. Die Schlagersendung «Hello again», die «Hüttengeschichten» etwa oder «Sing mit deinem Star», um nur drei Beispiele zu nennen.

Im Juni entscheiden wir über das Radio- und Fernsehgesetz RTVG. Im Abstimmungskampf wird häufig mit den Begriffen Relevanz und Service public argumentiert. Was ist für Sie relevant?
Dass wir die gesellschaftliche Realität in unserem Land in Sendungen aller Bereiche unserer Programme widerspiegeln, dass wir die Themen aufgreifen, die wichtig für die Bevölkerung sind – und dass wir mit substanzieller Informationsleistung einen Beitrag zur Meinungsbildung leisten.

Damit sind wir beim Service public. Die «Bespassung des Publikums» sei kein Service-public-Programm, kritisiert sogar SP-Ständerätin Anita Fetz.
Ich habe Verständnis dafür, wenn sich Politiker im Hinblick auf Wahlen profilieren möchten. Den Vorwurf lasse ich aber nicht gelten. Täglich senden wir viele Stunden tagesaktuelle Information. Die «Tagesschau» ist auf hohem Niveau stabil und erreicht regelmässig über 50 Prozent Marktanteil. Im Radio ist es genauso. Das «Echo der Zeit» erreicht täglich mehrere Hunderttausend Hörer.

Fakt ist, dass es rund um die RTVG-Abstimmung zu einer Grundsatzdiskussion über die SRG gekommen ist. Es entlädt sich viel Wut über die SRG, das könnte sich an der Urne auswirken.
Mir ist klar, dass wir über den Service public auch die nächsten Jahre viel diskutieren werden. Jetzt ist aber nicht der richtige Moment. Bei der RTVG-Revision geht es um die Frage, ob die Gebühren sinken sollen. Sollen sie fairer werden, weil es keine Schwarzseher mehr gibt? Sollen die Billag-Kontrolleure abgeschafft werden? Aus meiner Sicht kann man nur dafür sein. Wer ist denn nicht für tiefere Gebühren und weniger Bürokratie?

Trotzdem spricht die jüngste Prognose von einem knappen Ergebnis. 46 Prozent sind dafür, 45 dagegen. Wie erklären Sie sich das?
Ja, es dürfte knapp werden. Auch weil die Kontra-Seite falsche Behauptungen verbreitet.

Zum Beispiel, dass die Billag-Gebühr bald auf 1000 Franken steige? Meinen Sie solche Aussagen?
Nicht die SRG legt die Gebühr fest, das macht der Bundesrat, das war schon immer so. Und von der SRG aus wird es keinerlei Anstrengungen geben, die Gebühren zu erhöhen.  1000 Franken sind völlig abstrus!

Gehen wir davon aus, Sie hätten die Befugnis, die Höhe der Billag-Gebühr zu bestimmen. Wie viel pro Haushalt würden Sie verlangen?
Nach der RTVG-Revision werden 400 Franken reichen. Und das geht, wenn eben die Wirtschaft ihren Beitrag leistet. Doch auch hier entwerfen die Gegner ein Schreckensszenario. Im Unterschied zu heute müssten drei Viertel der Betriebe nämlich überhaupt nichts bezahlen, bei zehn Prozent wäre es weniger und lediglich die grossen Firmen müssten etwas mehr abgeben. Das Ziel ist ja, dass die Gesamteinnahmen gleich bleiben wie mit den jetzigen 462 Franken. Übrigens würden 260 Franken reichen, wenn die SRG nur Programme in einer Sprache machen müsste.

Gegner sagen, es handle sich um eine neue Steuer. Sogar das Bundesgericht umschreibt die Abgabe als «Zwecksteuer».
Ich bin nicht Jurist. Ich kann nur feststellen, dass sich die Juristen bei dem Thema alles andere als einig sind.

Es gibt Gerüchte, dass Sie Roger Schawinski aus dem Programm kippen wollen. Gibt es seinen Talk in einem Jahr noch?
Roger Schawinski macht seine Sendung mit grosser Leidenschaft. Er feiert bald seinen 70. Geburtstag. Solange er seinen Talk so engagiert führt, gibt es die Sendung weiter. Wir können aber nicht davon ausgehen, dass er sie auch in zehn Jahren noch machen will. Deshalb sind wir stets daran, Nachwuchsmoderatorinnen und -moderatoren aufzubauen.

Kritiker sagen, «10vor10» habe im Gegensatz zur «Tagesschau» an Profil verloren, sei langfädig geworden. Was sagen Sie dazu?
Die Sendung muss auch Hintergrund und Verständnishilfen bieten. Das tut sie mit längeren Beiträgen und Schwerpunkten, gerade im Hinblick auf die Wahlen. Im Herbst bekommt die Sendung mit Arthur Honegger einen neuen, jungen Moderator. Das wird dem Format sicherlich helfen, attraktiv zu bleiben.

Gemäss SRG-Geschäftsbericht 2014 hat die Geschäftsleitung 2,46 Millionen Franken verdient. Für Sie sind das rund 400000 Franken, richtig?
Mein Lohn bewegt sich in dieser Grössenordnung.  Kollegen, die bei privaten Medien tätig sind, schauen mich eher ungläubig an, wenn sie die Zahl hören, weil sie mit deutlich mehr gerechnet hätten. Daraus schliesse ich, dass ich im Branchen-Vergleich nicht überbezahlt werde. Aber anders als in privaten Medienhäusern kommen drei Viertel unserer Mittel aus Gebühren. Die kommerzielle Seite unseres Geschäfts ist also einfacher. 

Viereinhalb Jahre sind Sie im Amt. Wie lange bleiben Sie noch SRF-Direktor?
Ich habe einen normalen Arbeitsvertrag, mit einer sechsmonatigen Kündigungsfrist. Er läuft aus, wenn ich 65 werde, also in dreieinhalb Jahren. Auf diese drei Jahre freue ich mich.

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