Interview mit Bundesrat Berset
Lässt die Regierung junge Eltern im Stich?

Beim Bund haben neue Väter und Mütter Anspruch auf eine Pensenreduktion von 20 Prozent. Bundesrat Alain Berset erklärt im Interview, weshalb dieser Anspruch nicht auch in der Privatwirtschaft gelten soll.
Publiziert: 21.05.2015 um 14:17 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:16 Uhr
SP-Bundesrat Alain Berset im Interview.
Foto: Keystone
Von Ruedi Studer

Wer beim Bund arbeitet und ein Kind bekommt, hat den Anspruch darauf sein Pensum um 20 Prozent zu reduzieren. Zumindest, wenn das Pensum nicht unter 60 Prozent fällt. SP-Bundesrat Alain Berset stellte eine solche Regelung auch für die Privatwirtschaft zur Diskussion, wurde von seinen Kollegen aber zurückgebunden. Gegenüber Blick.ch nimmt er Stellung.

Herr Bundesrat Berset, lässt die Regierung junge Väter und Mütter im Stich, die gerne ihr Pensum reduzieren würden?

Alain Berset: Die Einführung dieser Massnahme in der Privatwirtschaft wäre relativ kompliziert. Es stellt sich sehr rasch die Frage der Grösse eines Unternehmens oder die Frage der Untergrenze. In einer grossen Verwaltung wie beim Bund ist es einfacher, eine solche Regelung umzusetzen, als in einem KMU-Betrieb mit wenigen Mitarbeitern.

Man hätte ja kleinere Betriebe von einer gesetzlichen Regelung ausnehmen können.

Dann würden wieder neue Ungerechtigkeiten geschaffen. Auf der einen Seite hat man dann einen Betrieb mit 10 bis 15 Angestellten, die nicht reduzieren können – und daneben steht ein grösserer Betrieb mit  100 Angestellten, dem dieses Recht zugestanden wird. Die ersten Erfahrungen beim Bund zeigen, dass bisher relativ wenig junge Eltern von der Pensenreduktion Gebrauch machen. Bei den neuen Vätern ist es nur etwa ein Viertel. Hier gilt es abzuwarten, wie sich das Interesse an dieser Möglichkeit entwickelt.

Dann ist das Thema vom Tisch?

Angesichts der jetzigen wirtschaftlich angespannten Lage, für den Moment ja.

Von der breiten familienpolitischen Auslegeordnung bleibt nur noch eine einzige Massnahme übrig: 100 Millionen Franken mehr für die familienergänzende Kinderbetreuung. Das ist mager!

Das ist fast eine Verdoppelung der Bundesgelder für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir haben einen pragmatischen Weg gewählt und setzen dort an, wo wir am raschesten etwas erreichen und Lücken schliessen können. Es gibt Elternteile, die nicht arbeiten, weil es sich unter dem Strich wegen zu teuren Krippenplätzen nicht lohnt. Für gewisse Eltern müssen deshalb die Tarife gesenkt werden. Auch die Situation während der Schulferien bereitet vielen Eltern Probleme, weil sie dann die Kinderbetreuung anderweitig organisieren müssen. Hier wollen wir die Kantone und Gemeinden subsidiär unterstützen.

Ist das nicht ein Tropfen auf den heissen Stein?

Mit der Anstossfinanzierung  des Bundes wurden in den letzten zwölf Jahren rund 48'000 neue Betreuungsplätze geschaffen. Mit dem zusätzlichen Programm wollen wir nicht einfach neue Plätze schaffen, sondern wichtige Lücken schliessen. Und zwar vor allem bei der Betreuung auch in den Randzeiten und Ferien. Im Herbst werden wir dazu eine präzise Vorlage vorlegen.

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