Islamisten wählten die Schweiz als Wohnort gezielt aus – wegen des ausgebauten Sozialstaats. Das sagt Sicherheitsexperte Thomas Kessler gegenüber der «Berner Zeitung». Die Extremisten seien international bestens vernetzt und wüssten genau, wo sich mit wenig Aufwand viele Ressourcen generieren liessen: «Dschihadisten missbrauchen unsere Sozialsysteme – und die Schweiz als logistische Basis für ihren Extremismus. Das darf nicht länger sein», fordert er. Den Verlust der Sozialhilfe würden die Islamisten gar noch mehr fürchten als Gefängnisstrafen.
Kessler spricht damit ein Thema an, das vor dem Skandal um den Bieler Hassprediger Abu Ramadan in Vergessenheit geraten war. Dieser lebte über 20 Jahre von der Sozialhilfe und kassierte in dieser Zeit rund 600'000 Franken.
Kein Einzelfall
Doch er ist kein Einzelfall: Ein weiteres Beispiel für Kesslers These ist der sunnitische Muslim Advi S., der Wurzeln im Balkan hat. Fast sein ganzes Leben verbrachte dieser in der Nordwestschweiz. Auch er bezog Sozialhilfe und präsentierte sich auf den sozialen Netzwerken als IS-Sympathisant. Bis 2016 haben die Steuerzahler via Sozialamt mehr als 170'000 Franken an Advi S. bezahlt, wie die «Weltwoche» berichtete.
Ähnlich liest sich die Geschichte des irakischen Kurden Karwan T. Er kam 1998 in die Schweiz, erschlich sich mit falschen Angaben und Dokumenten Asyl und zog Frau und Bruder nach. Die Justiz warf ihm später vor, seine Frau in die Schweiz geholt zu haben, um noch mehr Sozialhilfe beziehen zu können.
Weil er so nicht arbeiten musste und viel Zeit hatte, betätigte sich Karwan T. als Online-Dschihadist und verbreitete verbotene Propaganda für eine Vorläuferorganisation des IS im Irak. Bis zu seiner Verurteilung durch das Bundesstrafgericht 2014 griff ihm das Sozialamt mit schätzungsweise 450'000 Franken unter die Arme.
Wer Geld will, muss sich verpflichten
Es sei höchste Zeit für eine Schutzstrategie, fordert Kessler daher. So sei eine Umkehr der Beweislast im Gesetz dringend nötig: «Wer Steuergelder will, muss sich zwingend und verbindlich zur Mitwirkung an Bildungs- und Beschäftigungsprogrammen verpflichten und die Rechtsordnung respektieren – Leistung gegen Leistung», fordert Kessler. Die heutige Praxis lege den Behörden die Beweislast für mangelnde Kooperations- und Integrationsbereitschaft auf. Dies begünstige den Missbrauch, findet er.
Man müsse zudem mehr Mittel dort einsetzen, wo die grössten Gefahren lauerten. Laut Kessler sind das heute der Krieg im Internet und der Terrorismus. Seit Jahren würden Polizei, Militär und Nachrichtendienst das zusätzliche Personal fehlen, um diesen Kampf anzunehmen.
«Sicherheitspolitik in der Logik des Zweiten Weltkriegs»
«Es werden falsche Schwerpunkte gesetzt und Ressourcen verschleudert», behauptet Kessler. Es sei grotesk, dass Bund und Parlament den alten Militärlastwagen Duro für eine halbe Milliarde Franken aufrüsten. «Das bringt für die Sicherheit null – das ist Sicherheitspolitik in der Logik des Zweiten Weltkriegs.»
Kessler plädiert zudem für eine bessere Präsenz der Schweiz in den Herkunftsländern. So sollten die Gelder für nicht kooperative Staaten überprüft werden. «Wir dürfen uns die Spielregeln nicht aufzwingen lassen, wir müssen sie selbst definieren», sagt er. Es brauche aktive Kooperation. Momentan führe die Schweiz einen teuren Kampf gegen die Folgen fehlender Integration. (jdc)