In der Heimat von Bundesrat Rösti
Luchs frisst Schafe – und die SVP bläst zur Jagd

Das Bundesamt für Umwelt genehmigt den Abschuss eines Luchses im Berner Oberland, obschon die Kriterien dafür nicht erfüllt sind. Tatort ist die Heimat von Umweltminister Albert Rösti. Die Protagonisten sind Parteifreunde des SVP-Bundesrates.
Publiziert: 15:57 Uhr
|
Aktualisiert: 16:30 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/6
Rund 300 Luchse leben in der Schweiz. Die Raubkatze ist streng geschützt.
Foto: imago images/alimdi

Darum gehts

  • Luchs B903 zum Abschuss freigegeben nach Schafrissen im Berner Oberland
  • SVP-Politiker fordern Abschuss, Umweltschützer sehen gefährlichen Präzedenzfall
  • 15 tote Nutztiere pro Jahr im 5-Kilometer-Radius für Luchs-Abschuss nötig
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
RMS_Portrait_AUTOR_449.JPG
Lino SchaerenRedaktor

Im Berner Oberland gehts wilder zu als im Bundeshaus: Ein Luchs frisst sich durchs Schafsbuffet – und plötzlich sind SVP-Grössen im Jagdfieber. Auf Alp Ueschinen oberhalb von Kandersteg hat das männliche Tier B903 im August gleich mehrfach zugelangt. Sömmerer der gerissenen Schafe: SVP-Nationalrat Ernst Wandfluh. Präsident der Alpgenossenschaft: Hans Rösti, ehemaliger SVP-Grossrat und Bruder von SVP-Bundesrat Albert Rösti.

SVP‑Nationalrat Thomas Knutti war da schon aktiv: Nach Rissen Ende Juni auf Alp Tschingel verlangte er in einem offenen Brief an SP‑Regierungsrat Christoph Ammann den Abschuss des «Problem‑Luchses», kritisierte den Kanton scharf und stellte die Jagdinspektorin öffentlich infrage.

Berner Regierung schiesst zurück

Ammann lehnte ab, weil die Schwelle für den Abschuss eines geschützten Luchses – 15 tote Nutztiere pro Jahr im 5‑Kilometer‑Radius – klar verfehlt war. Und Ammann schoss zurück: Es sei «äusserst fragwürdig», wenn gewählte Volksvertreter öffentlich Druck ausübten, um Gesetze, Verordnungen und Bundeskonzepte zu umgehen «oder zugunsten von gewissen Interessensgruppen auszulegen».

Trotzdem wurde B903 vor rund zehn Tagen zum Abschuss freigegeben. Zwar blieb die 15er‑Marke trotz zwei gerissenen Geissen Anfang September verfehlt, der Kanton hält B903 jedoch für auf Nutztiere spezialisiert – jetzt führe kein Weg mehr an einer Eliminierung vorbei.

Dafür brauchte es eine Ausnahmebewilligung – vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) aus dem Departement Rösti. Das Amt sah die Kriterien knapp erfüllt und nickte ab.

Und Bundesrat Rösti? Laut Bafu schwieg er; der Umweltminister war nicht involviert. Auch Ammann meldet – ausser von Nationalrat Knutti – keine Einflussnahme.

«Luchs-Schutz wird geschwächt»

Für den «Problem-Luchs» spielt das alles keine Rolle. Bis 17. November dürfen Wildhüter auf ihn anlegen. Für Umweltschützer David Gerke ist das alarmierend: Das Bafu-Ja zum Ausnahmefall schwäche den Luchs-Schutz in der Schweiz. «Wozu braucht es noch eine Schadensgrenze von 15 Rissen, wenn einzelne tote Tiere auf ungeschützten Alpen für eine Ausnahmebewilligung ausreichen?», fragt der Geschäftsführer der Gruppe Wolf Schweiz.

Die Hürden für B903 waren tatsächlich maximal niedrig: Keine der betroffenen Alpen war geschützt, da der Herdenschutz für sie als unzumutbar gilt. Gerke sieht deshalb in der aktuellen Kontroverse einen gefährlichen Präzedenzfall.

Anders SVP-Nationalrat Knutti. Er zeigte sich gegenüber «20 Minuten» «hocherfreut» über den angeordneten Abschuss. Luchse mit atypischem Verhalten, sagt er, würden der gesamten Population schaden.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen
      Meistgelesen