Landesweit schliesst die Post Filiale um Filiale. Briefe und Päckli sollen dann in Dorfläden, Apotheken oder Bäckereien aufgegeben werden. Auch Spitäler schliessen Bereiche wie die Wäscherei. Die Arbeiten werden an Drittfirmen vergeben.
Oder die SBB: Der Bahnkonzern arbeitet an einer Radikalkur der Division Infrastruktur. In jenem Bereich also, der sich um Bau, Betrieb und Unterhalt des Netzes kümmert. Auch hier ist Outsourcing im grossen Stil geplant. Das Ziel ist jedes Mal dasselbe: Die Unternehmen wollen Kosten sparen.
«Entsolidarisierung» angeprangert
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) ist alarmiert. An seiner Jahresmedienkonferenz prangerte der Verband um Präsident Pierre-Yves Maillard (51) eine eigentliche «Entsolidarisierung» in der Schweizer Wirtschaft an. Immer wieder lagern Unternehmen Dienstleistungen wie die Reinigung oder Sicherheitsaufgaben an Drittfirmen aus, bei denen die Anstellungsbedingungen oft schlechter sind.
So sei in den 1990er-Jahren rund die Hälfte des Reinigungspersonals ausgelagert gewesen, schätzt der SGB. 2017 waren es laut dem Gewerkschaftsbund schon über 80 Prozent. Dies ist das Ergebnis einer am Donnerstag vorgestellten SGB-Analyse. Der Verband versucht sich an einem bildhaften Beispiel: «Vor rund 30 Jahren sassen beim Weihnachtsessen einer grossen Firma auch der Hauswart, das Sicherheits- oder das Reinigungspersonal mit am Tisch. Heute ist das kaum mehr der Fall.» Genaue Zahlen dazu? Diese kann der SGB noch nicht liefern.
Direkte Folgen auf den Lohn
Nur eines ist für die Gewerkschafter klar: Es könnte noch viel schlimmer kommen. Sie warnen davor, dass Arbeitnehmer künftig «sogar missbräuchlich als Selbstständige beschäftigt werden können». Im Fokus steht insbesondere die sogenannte Plattformwirtschaft im Stil von Uber. Beim Fahrdienst Uber schwelt seit langem ein Streit, ob die Fahrer nun angestellt oder selbstständig sind.
Dem SGB ist die Gefahr, dass immer mehr Scheinselbstständige für Grossunternehmen arbeiten, ein Dorn im Auge. Denn die Entwicklung hat oft direkte Folgen auf den Lohn: So erhalte eine Renigungsangestellte bei einer Grossfirma rund ein Viertel bis ein Drittel mehr Lohn als bei einem Subunternehmen.
Für die Gewerkschaften ist klar: Die Lohnschere geht immer weiter auf. Mit Auswirkungen auch auf die Altersvorsorge. Die Forderung des SGB ist denn auch klar: Bereits ausgelagerte Reinigungskräfte sollen wieder festangestellt werden – zumindest einmal beim Staat. Schliesslich muss dieser auch für die Leute aufkommen, deren Einkommen oder Rente nicht zum Leben reicht.
SGB hat sich einiges vorgenommen
Zwar sei die Situation in der Schweiz weniger schlimm als in anderen Ländern wie den USA oder Deutschland, räumt der SGB ein. Dennoch haben sich die Gewerkschafter für das Jahr 2020 viel vorgenommen. Im Fokus haben sie etwa die Altersvorsorge: So will der SGB im März die Unterschriftensammlung zu seiner geplanten Initiative für eine 13. AHV-Rente starten.
Daneben hoffen die Gewerkschaften auf einen Kompromiss der Sozialpartner bei der beruflichen Vorsorge. Ziel ist es, die Rentensituation von Frauen, Teilzeitarbeitenden und unteren Einkommen zu verbessern. Gleichzeitig sollen die Gewinne der Nationalbank für die Altersvorsorge eingesetzt werden. Hinzu kommen soll die Initiative für höhere Prämienverbilligungen. Damit streben die Linke und die Gewerkschaften eine gerechtere Finanzierung des Gesundheitswesens an.
Kampf gegen die Kündigungs-Initiative
Als Erfolg verbucht der Gewerkschaftsbund seinen Kampf gegen Lohndumping und für Gesamtarbeitsverträge. Die Schweiz verfüge über eine bessere Entwicklung im Tieflohnbereich als die Nachbarländer. Die Erfolge seien aber unter Druck, unter anderem durch die Kündigungs-Initiative, mit der die SVP die Personenfreizügigkeit kündigen will.
Die politische Hauptkampagne im laufenden Jahr sei daher die Bekämpfung dieser Initiative, die offiziell Begrenzungs-Initiative heisst. Deren Annahme am 17. Mai 2020 wäre für die Arbeitnehmenden eine Katastrophe, warnt der SGB. (dba)