Nicht wenige Reisebüros stehen vor dem Ruin: Die Corona-Pandemie hat ihnen die Geschäftsgrundlage entzogen, Besserung ist nicht in Sicht.
Dass der Bundesrat dieser gebeutelten Branche zügig Hilfe angedeihen lässt, ist unwahrscheinlich. Diesen Mittwoch beriet er mögliche Massnahmen, beschloss dann aber doch nur eine Verlängerung des Rechtsstillstandes bis Ende Jahr – weshalb Kunden die Rückerstattung für abgesagte Reisen erst 2021 geltend machen können.
Dabei wollte Wirtschaftsminister Guy Parmelin (60, SVP) eigentlich viel weiter gehen. Sein Wirtschaftsdepartement hatte vor der Sitzung eine Medienmitteilung entworfen – mit dem Titel: «Bundesrat unterstützt die von Covid-19 stark betroffene Reisebürobranche.»
Massive Kritik an Parmelins Vorschlag
Das war vorschnell: Die Kritik der Bundesratskollegen an Parmelins Vorschlag fiel dem Vernehmen nach massiv aus. Der Mitteilungsentwurf zeigt, dass der Wirtschaftsminister eine Ausweitung des Erwerbsersatzes auf Selbständige in der Reisebranche anstrebte. Davon aber wollte eine Mehrheit der Landesregierung nichts wissen. Schliesslich habe man nie ein Reiseverbot verfügt.
Einige Departementsvorsteher schreckte zudem die Vorstellung, dass der Bundesrat mit einer Sonderlösung für Reisebüros die Begehrlichkeiten anderer Branchen wecken könnte. Und die Erwerbsersatzordnung könne nicht für eine spezifische Branche allein verändert werden: Um den Reiseveranstaltern zu helfen, müsse eine separate Lösung gefunden werden.
Das Wirtschaftsdepartement wiederum hielt seinen gescheiterten Plan für die schnellstmögliche Lösung. Dass der Umweg über den Erwerbsersatz seine Schwächen hat, dürfte auch Parmelin aufgefallen sein: Der Entwurf der Medienmitteilung räumt ein, dass dafür eigentlich keine gesetzliche Basis besteht. Stattdessen wird darin das Parlament aufgerufen, eine zu schaffen.
Doch die Mehrheit im Bundesrat blockte diesen ungewöhnlichen Appell an die Räte ab. Und auch kommende Woche ist kaum mit einer Einigung in der Regierung zu rechnen. Allerdings kann das Parlament von sich aus aktiv werden, denn in einer Woche beginnt die Herbstsession. Der Berner SVP-Nationalrat Andreas Aebi (61) kündigte gegenüber der «NZZ» bereits einen Vorstoss an.
Reisebranche enttäuscht
«Eigentlich ist es für die Branche bereits fünf nach zwölf», sagt Walter Kunz. «Wir hätten uns vom Bundesrat mehr erhofft.» Der Geschäftsführer des Schweizer Reise-Verbandes (SRV) bezeichnet den gescheiterten Vorschlag des Wirtschaftsdepartements als idealen Ansatz und lobt vor allem, dass er zügig umsetzbar gewesen wäre.
«Man muss wissen», so Kunz, «dass 88 Prozent der Schweizer KMU-Reisebüros inhabergeführt sind.» Während sie für ihre Mitarbeiter Kurzarbeit beantragen könnten, erhielten die Eigentümer seit Juni keinen Franken mehr.
«Die Umsätze sind im Keller», betont er. Gleichzeitig falle durch die Umbuchungen viel Arbeit an. Die Reisebüros könnten daher nicht einfach schliessen. Kunz warnt: «Ohne zügige Unterstützung geht in absehbarer Zeit die Hälfte der Arbeitsplätze in der Reisebranche verloren.»