Herzklinik-Affäre am Unispital Zürich
Whistleblower bezeichnet Untersuchung als «Farce»

Eine Taskforce befasst sich mit auffälligen Todesfällen am Zürcher Universitätsspital. Wichtige Zeugen wurden aber bis heute nicht befragt.
Publiziert: 14:15 Uhr
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Aktualisiert: 14:17 Uhr
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Der frühere Bundesrichter Niklaus Oberholzer leitet die Untersuchungskommission.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • USZ untersucht hohe Sterblichkeit in Herzchirurgie mit Taskforce
  • Whistleblower kritisiert Untersuchung als Alibi-Übung und Farce
  • 17 konkrete Fälle von Fehlbehandlungen wurden schon vor fünf Jahren gemeldet
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Andreas SchmidInlandredaktor

Die Ankündigungen des Spitalrats vom August 2024 waren unmissverständlich. Das Universitätsspital Zürich (USZ) wolle mit einer unabhängigen Taskforce, besetzt mit in- und ausländischen Fachleuten, die einst hohe Mortalität an der Klinik für Herzchirurgie untersuchen lassen. In einem Jahr würden erste Ergebnisse vorliegen.

In der Zeit zwischen 2015 und 2020 waren unter dem damaligen Klinikdirektor Francesco Maisano (59) ungewöhnlich viele Operationen misslungen – mit auffällig häufiger Todesfolge. Maisano hatte bei den Eingriffen ein Implantat eingesetzt, das unzureichend geprüft und mangelhaft war.

Nachdem Maisanos Nachfolger Paul Vogt (68) im Frühling 2024 eine Liste mit mysteriösen Todesfällen aus der USZ-Herzchirurgie ansprach, ging der Spitalrat mit der Taskforce in die Offensive und versprach eine lückenlose Aufklärung. Als Leiter der Untersuchungskommission setzte das Gremium den ehemaligen Bundesrichter Niklaus Oberholzer (71) ein.

Unbeantwortete Fragen

Obwohl bereits eine Anwaltskanzlei einen Bericht zu den Vorkommnissen unter Maisano erarbeitet und sich auch die zuständige Kommission des Zürcher Kantonsrats mit der Affäre befasst hatte, versprach sich das USZ von der Taskforce neue Erkenntnisse. Von den Ankündigungen ist bisher jedoch wenig eingelöst. Ausländische Experten sind in der Untersuchungskommission nicht vertreten, von Ergebnissen ist ein Jahr später weit und breit nichts zu sehen. Die Taskforce hat wichtige Kronzeugen wie Vogt oder dessen Co-Klinikdirektor Thierry Carrel (67) noch nicht einmal befragt.

Ebenso wenig den Whistleblower André Plass (52). Der ehemalige leitende Arzt in der USZ-Herzchirurgie hatte bereits vor fünf Jahren intern auf die Missstände und 17 konkrete Fälle von Fehlbehandlungen aufmerksam gemacht. Nachdem die Affäre Maisano 2020 publik geworden war, entliess das Spital Plass. Maisano musste ebenfalls gehen.

Befragung steht an

Immerhin: Von der Taskforce sei er nun endlich zu einer Befragung eingeladen worden, sagt Plass zu Blick. Weil ihm Leiter Oberholzer aber schriftlich eröffnet habe, es handle sich um «eine systemische Administrativuntersuchung» und gehe «nicht primär um einzelne Patientenfälle», verkomme die Arbeit der Taskforce zu einer «Alibi-Übung». Die Auskunft von Oberholzer, «Dossiers und Krankengeschichten würden nicht spezifisch beigezogen», lasse die Untersuchung zu einer «Farce» werden, kritisiert Plass. Zudem sei die Kommission nicht unabhängig, Mitglied René Prêtre (68) zum Beispiel, der Kinder-Herzchirurg, stehe Maisanos Netzwerk nahe.

Stellt sich die Frage, weshalb er sich in einigen Tagen trotzdem anhören lässt. Plass sagt, er wolle sich nicht dem Vorwurf aussetzen, die Aufklärung der Missstände zu behindern. «Sonst werde ich erneut zum Sündenbock gestempelt.»

Kritik zurückgewiesen

Untersuchungsleiter Oberholzer weist den Vorwurf von Plass zurück, die Kommission gehe nicht auf Einzelfälle ein: Das Gremium analysiere die Mortalitätsrate zwischen 2015 und 2021 und überprüfe «sämtliche Operationen» mit den umstrittenen Implantaten. Was die Unabhängigkeit der Mitglieder betreffe, betont Oberholzer, so orientiere sich die Kommission diesbezüglich an den gängigen Grundsätzen.

Auf die Frage nach den angekündigten ausländischen Experten vertröstet der Strafrechtsexperte auf den Schlussbericht – dann würden die beigezogenen Fachleute genannt. Ebenso bedeckt gibt sich Oberholzer dazu, warum Kronzeugen nach fast einem Jahr noch nicht befragt wurden. Er hält fest: «Es besteht keine Veranlassung, sich vorgängig zu einzelnen Beweiserhebungen zu äussern.»

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