Haue für SP-Leutenegger-Oberholzer, weil sie Frauen von Politik abrät
«Sie ist wohl einfach frustriert»

Susanne Leutenegger Oberholzer rät jungen Frauen von der Politik ab. Sie sollen sich lieber einen Job suchen, sagte diese jüngst. Ihre Ratskolleginnen wundern sich über diese Haltung.
Publiziert: 21.04.2015 um 16:03 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 21:46 Uhr
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Rät jungen Frauen von der Politik ab: Susanne Leutenegger Oberholzer (SP).

SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer erteilt jungen Frauen einen Ratschlag. Sie würde ihnen empfehlen, «mit einer guten Ausbildung auf einen Job in der Wirtschaft zu setzen, statt in die Politik zu gehen», sagte die erfahrene Politikerin im «SonntagsBlick».

In Bern reibt man sich die Augen. Ausgerechnet Leutenegger Oberholzer, die sich vehement für die Gleichstellung eingesetzt hat, rät Frauen von der Politik ab. «Ich bedaure solche Aussagen. Wir brauchen mehr junge Frauen in der Politik», sagt FDP-Nationalrätin Christa Markwalder.

Frauen werden über Äusserlichkeiten bewertet

Denn es herrsche ohnehin ein Mangel an jungen Politikerinnen. «Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass es schwierig ist, junge Frauen für Kandidaturen zu motivieren. Sie trauen sich ein politisches Amt nicht einfach so zu», sagt die Bernerin. Ähnlich äussert sich CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter.

«Ich hoffe nicht, dass sich junge Frauen davon entmutigen lassen», so die Baselbieterin. Frauen seien zwar anders, aber nicht stärker exponiert als Männer, so Schneider-Schneiter. «Sicher werden Frauen über Äusserlichkeiten wie Kleidung oder Frisur qualifiziert oder disqualifiziert.»

Dennoch empfinde sie es als grossen Vorteil, als Frau zu politisieren. «Das Platzhirschgehabe der Männer ist mir fremd, so kann ich in Sachgeschäften einfacher Mehrheiten organisieren», so Schneider-Schneiter.

«Man muss sich schützen»

Gar kein Verständnis für die Ratschläge ihrer Baselbieter Ratskollegin hat Nadja Pieren von der SVP. «Ich war als Politikerin nie irgendwelchen Anfeindungen ausgesetzt», sagt sie. Sie plädiert dafür, Beruf und Politik zu verbinden. «Schliesslich sind wir ein Milizparlament. Aber es gibt bei den Linken halt etliche, die voll als Berufs­politiker tätig sind.»

«Ich habe den Schritt in die Politik nie bereut. Aber es ist tatsächlich so, dass Frauen schneller infrage gestellt werden. Nur, das passiert ihnen auch in der Wirtschaft», sagt wiederum Yvonne Gilli, die für die Grünen im Nationalrat politisiert. Allerdings könne man vorbeugen, um nicht zur Zielscheibe zu werden. «Wichtig ist, dass man sich schützt. Wer der narzisstischen Neigung nicht nachgibt und sein Privatleben für sich behält, ist auch weniger stark angreifbar», ist Gilli überzeugt.

Und BDP-Parlamentarierin Rosmarie Quadranti sagt: «Ich glaube, persönliche Angriffe sind inzwischen Teil unserer Kultur geworden. Das betrifft Männer und Frauen.»

Ist die Zweitwohnungs-Affäre der Grund?

Immerhin, Parteikollegin Bea Heim springt Leutenegger Oberholzer bei: «Die alten Klischees sind noch immer in manchen Köpfen drin. Etwa die Frage: Wie bringt eine Frau Politik und Familie unter einen Hut?» Allerdings hätten Frauen überall meist mehr zu kämpfen: «In Politik, Wirtschaft und Forschung», sagt Heim. «Das liegt unter anderem daran, dass sie weniger über Netzwerke verfügen, die für eine Karriere in Wirtschaft und Politik förderlich sind», so die Solothurnerin.

Steckt aber vielleicht etwas ganz anderes hinter den Äusserungen von Leutenegger Oberholzer? Sie war jüngst stark in die Kritik geraten. Sie hatte sich für die Zweitwohnungsinitiative eingesetzt, aber vor der Abstimmung selbst eine Zweitwohnung gekauft. «Vermutlich hängt ihr Ärger damit zusammen», sagt Christa Markwalder. «Aber man sollte seinem persönlichen Frust nicht auf diese Art Luft verschaffen.» (mas)

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