Genfer Ständerat besorgt wegen Hass im Netz
Poggia sagt anonymen Kommentarschreibern den Kampf an

Der Genfer Ständerat Mauro Poggia will Medien verbieten, anonyme Leserkommentare zu veröffentlichen. Ob das allerdings wirklich für eine bessere Debattenkultur sorgen würde, ist fraglich.
Publiziert: 08.01.2024 um 10:55 Uhr
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Der Genfer Ständerat Mauro Poggia – hier im Bild mit seiner Neuenburger Kollegin Céline Vara – will anonyme Kommentare auf Schweizer Medienportalen verbieten.
Foto: keystone-sda.ch

Wer seine Meinung äussern will, soll dazu mit seinem Namen stehen, findet der Genfer Ständerat Mauro Poggia (64). Der Vertreter der Genfer Protestpartei Mouvement Citoyens Genevois (MCG) will, dass die Politik gegen anonyme Leserkommentarschreiber und -schreiberinnen vorgeht. 

Konkret fordert der Politiker per Vorstoss, dass künftig nur noch Medien direkte und indirekte Staatshilfe erhalten, die ihre Leserinnen und Leser in der Kommentarspalte zur Angabe ihres echten Namens zwingen. Je nachdem, wie streng dies ausgelegt würde, könnten sehr viele Medien betroffen sein. So werden Zeitungen beispielsweise indirekt gefördert durch einen Rabatt für die Frühzustellung per Post. Eine breitere staatliche Medienförderung wird diskutiert.

«Zunehmende Verbreitung von Lügen, Hass und Beleidigungen»

Heute schon ist bei vielen Medien Pflicht, dass sich Kommentarschreibende registrieren – so auch bei Blick. Poggia will aber, dass die Identität der Autoren auch für die Leser ersichtlich ist. Die Anonymität verleihe den Urhebern ein Gefühl der Straffreiheit und «begünstigt die zunehmende Verbreitung von Lügen, Hass und Beleidigungen», argumentiert der Genfer Ständerat. Ratskollegen von FDP, Mitte und SVP unterstützen die Forderung und haben den Vorstoss Poggias mitunterzeichnet.

«Die Meinungsfreiheit erlaubt es, auch unangenehme Dinge zu sagen, und das muss man akzeptieren. Aber es darf nicht als Vorwand dienen, um alles durchgehen zu lassen», sagt Poggia gegenüber der Westschweizer Zeitung «Le Temps». Den Nutzern vorzuschreiben, ihre Kommentare unter ihrem echten Namen zu veröffentlichen, habe zum Ziel, sie zur «Selbstzensur» zu bewegen.

Studien widersprechen

Poggia ist überzeugt, dass die Qualität der Debatte steigen würde. Ein Blick auf die Forschung lässt daran aber Zweifel aufkommen. Mehrere Studien kamen zum Schluss, dass Nutzer mit Klarnamen sogar häufiger aggressive Kommentare verfassen als mit Pseudonym. Muss man sich zwar registrieren, gegenüber den Lesern aber nicht mit echtem Namen auftreten, führt das zu einer besseren Debattenqualität als bei voller Transparenz.

Die Gründe dafür sind nicht ganz klar. Vermutet wird, dass User mit einem ständigen Pseudonym, die häufig Kommentare verfassen, um ihren Ruf innerhalb der Gemeinschaft der Kommentarschreibenden bemüht sein dürften und sich deshalb zügeln. Wichtig für die Debattenkultur sind zudem klare Verhaltensregeln und eine aktive Moderation. (lha)

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