«Eine Lachnummer», sagt SVP-Nationalrätin Natalie Rickli. «Die Bild-Zeitung betreibt so mit den deutschen Linken eine Hetzkampagne gegen die Schweiz.»Und FDP-Nationalrat Philipp Müller doppelt nach: «Das Ganze ist grotesk. Ich gehe davon aus, dass sich die Politiker beider Staaten nicht von derartigen Showeinlagen irritieren lassen.»
Das deutsche Boulevardblatt hat via ihrem für die Schweiz zuständigen Reporter Matthias Kluckert gestern in Berlin Anzeige gegen Justizministerin Simonetta Sommaruga erstattet. Und zwar wegen versuchter Freiheitsberaubung, Nötigung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
«DAS lassen wir uns nicht länger gefallen!», schreibt «BILD» und will den Spiess umdrehen. Grund für diese Aktion: Der Haftbefehl der Bundesanwaltschaft in Bern gegen drei deutsche Steuerfahnder.
«Stellvertretend für das Schweizer Justizwesen»
Wie Nikolaus Blome, stellvertretender Chefredaktor der Zeitung der Nachrichtenagentur sda sagte, ist dies nicht nur eine «publizistische Aktion». Es gehe auch um die Glaubwürdigkeit Deutschlands.
«Wie viel Steuerflucht darf ein Staat zulassen, der von den unteren Schichten per Gesetz eine Menge fordert und im Sozialbereich Verfehlungen streng ahndet», formulierte Blome die zentrale Frage. Auch am oberen Ende müssten Gesetze eingehalten und durchgesetzt werden.
Den Verantwortlichen bei «BILD» ist bewusst, dass formal gesehen Bundesrätin Sommaruga nicht die richtige Ansprechpartnerin ist. «Wir haben sie stellvertretend für das Schweizer Justizwesen genommen», sagte Blome.
Die Angeklagte selbst liess nach der heutigen Bundesratsstizung lediglich verlauten:
«Der Bundesrat hat die Anzeige zur Kenntnis genommen, mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen.»
Der ebenfalls anwesende Direktor des Bundesamts für Justiz, Michael Leupold, wollte nicht kommentieren, welche rechtlichen Aussichten eine solche Anzeige gegen ein Regierungsmitglied eines anderen Landes hat.
«Eine Frechheit»
Nicht nur bei der SVP löst die Schlagzeile Kopfschütteln aus. CVP-Boss Christoph Darbellay: «Ich finde das eine Frechheit von einem Land gegenüber einer Ministerin. Wir sind die Geiseln der SPD, weil diese das zum Wahlkampfthema erklärt und an einer Lösung nicht interessiert ist», sagt er. Christian Levrat müsse seine Genossen in Deutschland kontaktieren und sich «im Sinne der Sache einsetzen».
SP-Chef Levrat wiederum hält die Strafanzeige «vom politischen und juristischen Standpunkt her» für eine Dummheit. «Es ist aus meiner Sicht ein Marketing-Gag einer grossen Zeitung. Man sollte dies nicht allzu ernst nehmen."
Steinbrück jetzt BILD-Chefredaktor?
Ähnlich wie die Politiker reagieren auch die Schreiber im Blick.ch-Forum. «Was für ein Kindergarten!» «Lächerlich!» sei die Aktion, lautet der Tenor. Auch politische Einflussnahme wird dahinter vermutet. «Wusste gar nicht, dass der Steinbrück jetzt Chefredaktor bei Bild ist», schreibt beispielsweise Fritz Meier. (dra/per/kmü)