Socrates Luamba kam im März 2013 in die Schweiz. Nach ein paar Wochen in einer Empfangsstelle des Bundes wurde der Flüchtling mit seiner Stiefmutter und den beiden Halbschwestern dem Kanton Wallis zugeteilt. Dort hat sich der Angolaner gut integriert. Er spielt Fussball in der Regionalliga, spricht fliessend Deutsch, seine Arbeitszeugnisse bescheinigen ihm gute bis sehr gute Leistungen.
Theoretisch hätte er einen Lehrvertrag in der Tasche, berichtet der junge Mann bei einem Treffen mit SonntagsBlick. «Morgen könnte ich anfangen.» Doch nach dem Willen der Schweizer Migrationsbehörden muss Socrates Luamba zurück nach Afrika: Sein Asylgesuch wurde 2016 abgewiesen, der Entscheid ist seit Sommer 2017 rechtskräftig.
Lebensmittelpunkt liege in Angola
In Angola stünde der 21-Jährige vor dem Nichts: Seine Mutter ist verschollen, sein Vater vermutlich im Gefängnis. Als Luamba die Heimat verliess, hatte er schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihnen. Trotzdem versuchten die Behörden, ihn mit seiner Stiefmutter und den beiden Halbschwestern im Mai 2018 ein erstes Mal auszuschaffen. Damals wohnte er in Turtmann VS. 1500 Bürger setzten sich in einer Petition für den Verbleib der Familie ein.
Darauf befasste sich die Walliser Kommission für Härtefälle mit der Familie. Ergebnis: Im Fall von Socrates' Stiefmutter und Halbschwestern beantragte man beim Staatssekretariat für Migration ein Aufenthaltsrecht. Der Lebensmittelpunkt des jungen Mannes hingegen liege noch immer in Angola, Luamba habe sich in der Schweiz nicht integriert.
Im Kanton Zürich hätte Luamba eine Chance
«Die Kommission hat mich nie angehört, ich weiss nicht, wie sie zu diesem Schluss kommt», sagt Socrates Luamba. Sein Anwalt Peter Volken hat ein Gesuch um Wiedererwägung eingereicht. Die Härtefallkommission soll sich sein Dossier genauer ansehen – es ist die letzte Chance für Socrates.
Wäre er dem Kanton Zürich zugeteilt, hätte Luamba weit grössere Chancen. Von 44 Gesuchen, welche die dortige Härtefallkommission 2018 beim SEM einreichte, wurde keines abgelehnt. Auch mittelgrosse Kantone wie Luzern oder Solothurn leiten mehr Gesuche ans SEM weiter als das Wallis, das 2018 drei Härtefallgesuche stellte, im Jahr davor zwei, 2016 keines.
Rückreise oder Abtauchen in die Illegalität
Eine solche Ungleichbehandlung sei höchst problematisch, heisst es bei der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH): «Wir fürchteten bereits bei der Einführung der Gesetzesbestimmung, dass dies zu einer eigentlichen kantonalen Härtefall-Lotterie führen wird», sagt SFH-Sprecherin Eliane Engeler.
Sonderbar sei auch, dass Betroffene auf Kantonsebene keine Möglichkeit hätten, Rekurs einzulegen. Das Bundesgericht habe dies in einem Urteil bereits für verfassungswidrig erklärt. Engeler: «Aus unserer Sicht müssten alle Gesuchsteller bereits auf kantonaler Ebene eine Beschwerdemöglichkeit haben.»
Socrates Luamba ist bei einem Bekannten untergekommen. Die Wohnung verlässt er nur selten: «Ich habe Angst, dass mich die Polizei kontrolliert.» Wird sein Gesuch auf Wiedererwägung abgelehnt, bleiben ihm nur zwei Möglichkeiten: Rückreise in ein Land, das er als Kind verliess und wo er niemanden kennt. Oder das Abtauchen in die Illegalität.
Was sagt er selbst zu seiner Lage? «So lange ich atme, habe ich Hoffnung.»